Nachtjaeger
sich vor dem zwölften Lebensjahr verwandelt. Und wie er waren auch alle anderen reine Ikati gewesen.
Aber wenn sie sich mit zehn verwandelt hatte …
»Unmöglich«, protestierte Durga und erntete gemurmelte Zustimmung. Die Stimmen der Männer waren zuerst vorsichtig und wurden dann selbstbewusster, als er sich wiederholte. Er verschränkte seine dicken Arme über seiner Brust und schüttelte mit dem Kopf. »Das ist einfach nicht möglich.«
Nur Viscount Weymouth schwieg und starrte Jenna fassungslos an. Alejandro sprang von seinem Stuhl auf, als ob man ihn gestochen hätte. Wie zwei andere Männer auch musterte er Jenna nun mit einem solch finsteren Verlangen, dass es geradezu gefährlich wirkte – animalisch wie eine bösartige Raubkatze.
»Wenn das wahr ist …« Alejandro beendete seinen Satz nicht. Er hob eine Hand und zeigte damit auf Jenna, ehe er sie wieder sinken ließ und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappte. Leander trat einen Schritt ins Zimmer. Er ließ Alejandro nicht aus den Augen.
»Das ist eine Lüge«, erklärte Durga tonlos. Er erhob sich, rückte seinen Smoking zurecht und musterte Jenna voller Verachtung. »Vergessen wir nicht, wer das ist, Gentlemen. Das hier ist das Kind einer unseligen Verbindung. Sie entstand aus einer verbotenen Beziehung. Sie ist die Tochter eines Verbrechers. Sie ist zur Hälfte Mensch, ganz offensichtlich minderbegabt und eine Gefahr für unsere Spezies!« Er zeigte mit einem dicken, anklagenden Finger auf Jenna. Sein hasserfülltes Gesicht war puterrot. »Kein Halbblut hat sich jemals in diesem Alter verwandelt. Das ist eine Tatsache. Sie lügt nicht nur, sondern sie ist schlichtweg …«
»Ich bin die Tochter meines Vaters.« Jennas Stimme durchschnitt den engen und auf einmal erdrückend heißen Raum. Sie klang klar und deutlich.
»Ich bin keine Lügnerin, und ich bin auch nicht minderbegabt. Vor allem nicht im Vergleich zu Ihnen.«
Sie starrte Durga mit einer solchen Giftigkeit an, dass er in seiner Bewegung innehielt, als ob ihm der Schock mitten ins Gehirn gefahren wäre und ihn vergessen ließ, was er gerade tat.
Er blinzelte verblüfft. Leander wusste genau, was der Mann jetzt dachte. Er war schlichtweg fassungslos, dass sie es wagte, so mit ihm zu sprechen. Sich ihm entgegenzustellen. Vermutlich erinnerte er sich gar nicht daran, wann er das letzte Mal auf diese Weise angesprochen worden war – wenn es überhaupt jemals in seinem Leben so etwas gegeben hatte.
Er war Alpha der Ikati, ein Anführer der Tiere, die in Menschengestalt auftraten, ein tödlicher, hochverehrter Krieger, ein Lord und Herrscher, der von allen auch als solcher anerkannt wurde.
Seine Macht war absolut, unangefochten und unhinterfragt. So lauteten die Regeln in ihrer Welt. Es war sein Geburtsrecht. Es war das Gesetz. Und sie war nichts anderes als eine Frau.
»Sie werden uns auf der Stelle beweisen, ob Sie eine von uns sind oder nicht«, forderte nun ein anderer Mann der Versammlung. Im ganzen Raum nickte man eifrig mit dem Kopf. »Wenn Sie es nicht tun …«
»Zeig es ihnen«, sagte Leander heiser. Er trat nun ganz aus dem Schatten, um auf Jenna zuzugehen. Deutlich konnte er die zunehmende Anspannung spüren und die Blicke kalter Berechnung auf den Gesichtern der Männer erkennen. Etwas Gefährliches begann seinen hässlichen Kopf zu zeigen.
»Nein.«
Sie sah ihn an, doch ihre Miene war wieder verschlossen. Jetzt zeigte sich darin erneut der trotzige Stolz von vorhin. Er wusste, dass sie nicht auf ihn hören würde. Aber er musste sie dazu bringen, denn sie brachte sich in eine schreckliche Situation.
»Wenn Sie es nicht tun, wird das Konsequenzen haben, meine Liebe«, sagte Viscount Weymouth mit unsicherer Stimme. Er wirkte erschüttert und zutiefst verängstigt. Im Gegensatz zu den restlichen Männern, die längst aufgesprungen waren, angefeuert durch den drohenden Konflikt, saß er noch immer auf seinem Platz. Er räusperte sich und sprach dann wieder. Jetzt klang seine zitternde Stimme seltsam ruhig. »Sehr, sehr unangenehme Konsequenzen. Es tut mir leid, das sagen zu müssen.«
»Jenna«, begann Alejandro in einem weichen Ton, auch wenn in seinem Gesicht etwas anderes abzulesen war, was Leander ganz und gar nicht gefiel. » Meu caro , Sie scheinen nicht zu verstehen.«
Er trat einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand nach ihr aus, hielt jedoch inne, als sie mit einer Grimasse zurückwich. Hastig strich er sich stattdessen über seine Haare und
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