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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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Augen aller Anwesenden.
    Doch das Schlimmste, das Quälendste an der ganzen Sache, war die Art und Weise gewesen, wie sie reagiert hatte.
    Sie schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte auf, als sie daran dachte. Als sie sich daran erinnerte, wie ihre Haut zu prickeln und heiß zu werden begann, obwohl sie zuerst noch versucht hatte, ihn abzuwehren. Wie sein Duft ihr in die Nase gestiegen war, wie seine Hände ihr Gesicht umfasst hatten. Wie sein kraftvoller Körper plötzlich gegen den ihren drängte und sie gefangen hielt.
    Sie erregte. Sie die Beherrschung verlieren ließ.
    Vor den Augen aller.
    Dieser verdammte Mistkerl.
    Zum Glück war es hier dunkel. Sie musste sich nicht selbst im Spiegel sehen und auch nicht die feindseligen, spöttischen Augen eines anderen ertragen. Sie konnte sich verstecken. Sie wünschte sich nichts mehr, als dass sie sich für immer verstecken könnte.
    Jenna vergrub ihr Gesicht im Ärmel eines schweren Wollmantels. Dann nahm sie das Kleidungsstück von seinem Holzbügel, schlüpfte hinein und schlang es um ihren nackten Körper. Sie klappte den Kragen hoch und roch an dem Seidenfutter. Es duftete nach ihm. Sie stöhnte erneut auf und ließ sich in das dunkle, weiche Meer aus aufgehängten Mänteln sinken, deren schwere Stoffe ihr in diesem Moment einen wunderbar warmen Zufluchtsort boten.
    Selbst in der völligen Dunkelheit von Leanders riesigem Ankleidezimmer wusste Jenna, dass ihr Gesicht flammend rot war.
    Sie wusste, dass sie hier zumindest eine Weile sicher sein würde, viel sicherer als in ihren eigenen Räumen. Obwohl die Wachen vor ihrer Tür vermutlich protestieren würden, wenn man sie fragte. Sie waren davon überzeugt, dass Jenna noch immer drinnen war und es nicht an ihnen vorbeigeschafft hatte. Es war nicht ihre Schuld. Morgan hatte den Männern mit ihrer Kraft der Einflüsterung ihren Willen aufgedrängt, indem sie ihnen befohlen hatte, Jenna vorbeizulassen und zu vergessen, dass sie sie jemals gesehen hatten.
    Natürlich hatten sie gehorcht.
    Eine Flucht in den Wald kam diesmal nicht infrage. Jenna hätte genauso gut gleich ein Leuchtfeuer entflammen können, um ihren Aufenthaltsort zu verraten. Den zahlreichen Ikati im Salon, im Ballsaal und im ganzen Haus wäre es ein Leichtes gewesen, ihr in den Wald zu folgen und sie dort ausfindig zu machen.
    Doch in Leanders Gemächer würde ihr niemand folgen – selbst wenn sie spürten, dass sie hierhin geflohen war. Die restlichen Ratsmitglieder würden es niemals wagen, in die Privaträume des Alpha einzudringen.
    Zumindest hoffte sie das.
    Sie brauchte dringend Zeit zum Nachdenken. Sie brauchte Zeit, um zu beschließen, wie sie ihr Versprechen Morgan gegenüber halten wollte, und wie sie Leander überzeugen konnte, etwas zu tun, was für ihn im Grunde Hochverrat bedeutete. Bisher war ihr noch keine Idee gekommen.
    Dieser Abend sollte ihr Debüt werden, wie Morgan das mehrmals genannt hatte. Die Verletzung an ihrem Fuß war völlig geheilt, und sie konnte sich wieder verwandeln. Ihr hatte Morgans Vorschlag gefallen, und sie hatte geglaubt, dass es funktionieren könnte. Sich einfach dem Rat stellen und ein klein bisschen zeigen, wozu sie fähig war – vielleicht, indem sie einen Fuß oder einen Arm oder eine Locke ihres Haares in Nebel verwandelte. Es reichte ein kleiner Beweis, um die Männer zu beruhigen und ihr zu ermöglichen, aus ihrem Radar zu verschwinden und in ihr altes Leben zurückzukehren. Genau das hatte sie nämlich vor: die Flucht in ihr altes Leben.
    Doch sobald sie diese arroganten, unheilvollen Gesichter gesehen hatte, wie sie sich hinter Leander im Ballsaal versammelt hatten, wusste sie, dass sie ihnen gar nichts zeigen würde.
    Weil sie vorhatten, sie zu zwingen.
    Doch dann hatte Leander mit diesem Kuss … Er hatte ihr mit diesem Kuss keine Wahl gelassen.
    Sie war eine Närrin. Sie wusste es, genauso sicher wie sie wusste, dass am nächsten Tag die Sonne wieder aufgehen würde. Sie war eine Närrin, immer wieder an ihn zu denken, Stunde um Stunde, Tag um Tag, an ihn zu denken, zu träumen und ihn zu begehren, während sie gleichzeitig versuchte, all diese Gefühle in die hinterste Ecke ihres Herzens zu verdrängen.
    Sie wusste, dass er genauso wie die anderen war. Ihm ging es nur um ihre Kooperation, ihre Unterwerfung, ihren Gehorsam. Niemals in ihrem Leben würde sie irgendeinem von ihnen gegenüber gehorsam sein.
    Vor allem nicht ihm.
    »Ich dachte mir, dass ich dich hier mit einer Schere in der Hand

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