Nachtjäger
selben Moment köpfen. Drei Personen, drei Schritte, die genügten, um einen sehr mächtigen Vampir zu töten, falls man das bei einem Untoten sagen konnte.
Vernichten war vielleicht der bessere Ausdruck!
Das Unterfangen war nicht ohne Risiko. Niemand wusste, wie schnell Ludwig war. Hatte der Vampir Zeit, sich auf den Übergriff vorzubereiten? Warum lag er eigentlich in diesem Sarg? Schlief er? Brauchte man ein Ritual, um ihn zu wecken? Das wäre gut, denn so würden sie einem Kampf aus dem Wege gehen. Alles war unsicher, klar war nur eines: Morgos Daargon musste sterben, um ein Anwachsen der dunklen Kräfte zu verhindern. Lebte er, war den Londoner Vampiren Tür und Tor geöffnet, starb er, würden sie noch eine Weile ohne den erwünschten Einfluss sein. Man sagte Daargon nach, aus dem Stamm der Strigoi zu sein.
Ursprünglich hatten die Strigoi nichts mit Blutsaugen zu tun. Strigoi besuchten dem Glauben nach Verwandte des Toten und wollten sie teilweise zu ihnen mitnehmen. Um eine Grenze zwischen dem Reich der Toten und der Lebenden zu errichten, wurden bei Beerdigungen Spindeln mit Garn um das Grab gesteckt und angezündet. Oft wurden Seife, Rasierer oder Spiegel als Grabbeigaben ins Grab gelegt, damit der Tote keinen Grund hatte, wieder in das Reich der Lebenden zu kommen und als Strigoi aufzutreten. Dieser Glaube war in Rumänien und in den östlichen Ländern weit verbreitet. Teilweise wurde Toten ein glühendes Eisen in das Herz gerammt. Das sollte verhindern, dass der Tote zum Strigoi wurde.
Daargon hatte sich weiter entwickelt.
Er war der Erste, der Blut trank und dadurch eine Macht erfuhr, die bis dahin undenkbar gewesen war. Er war der Urvater einer neuen Generation Vampire, eine Weiterentwicklung der dunklen Natur. Er nannte sich Vampyr, nicht mehr Strigoi und gründete seinen eigenen Stamm.
Eine Zeit lang war er verschwunden gewesen. Niemand wusste, wo er sich aufhielt. Warum schlief er? Was hatte ihn so ermüdet? Warum kam er nicht alleine zurück? Fragen, die man ihm – vielleicht – stellte, wenn er sich regeneriert hatte.
Vermutlich wartete er auf die richtige Zeit, welche auch immer das war. Vielleicht eine, die weit in der Zukunft lag?
»Fangen wir an?« Ludwig hob das Stemmeisen und stellte das Gewehr parat.
Ihre Schatten waren hoch an der Kellerwand und es roch nach Holz und Öl.
Krachend fuhr das Eisen neben den Sargdeckel, genau in den Spalt, aus dem heraus Ludwig den Hebel ansetzen konnte. Er drückte dagegen und der Deckel löste sich erstaunlich leicht. Es gab ein saugendes Geräusch und gelber Rauch drang durch den Spalt. Madame DeSoussa, die man bald nur noch mit ihrem Vornamen anreden würde, hob die Waffe und zielte. Ihr Arm war ruhig und sie wirkte entspannt.
Caroline wog den Säbel in beiden Händen. Ihre Instinkte loderten und ihre Nackenhaare sträubten sich.
Ludwig fasste nach, setzte den Hebel an und drückte mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Der Sargdeckel rutschte eine Handbreit, dann noch eine zur Seite. Der alte Butler ließ die Brechstange fallen und schob den Deckel weg, stemmte sich dagegen und er polterte auf der anderen Seite zu Boden. Ludwig sprang zurück an die Wand und nickte Madame DeSoussa zu.
Der gelbe Rauch stank bestialisch und sie sahen sonst nichts. Die Voodoo-Priesterin hatte nichts, worauf sie zielen konnte, in Carolines Händen bebte die Klinge.
Dann passierte das Unglück.
»Morgos Daargon«, fluchte Frederic und warf die Zeitung auf den Tisch. »Er gibt sich als Kapitän eines Schiffes aus und kreuzt vor New York. Diese runde dunkle Brille, das schmale Kinn, die weißen Haare. Er ist es.«
Caroline kam hinzu und ihr Streit war vergessen.
Ludwig ließ sich sehen und Lilou stellte den Dyson weg, den sie soeben einstöpseln wollte. Sie ließ da Kabel fallen und in ihrem Gesicht standen tausend Fragen. Sie schnappte nach Luft.
»Also ist er zurück«, sagte Ludwig und wurde bleich.
»Ihr wisst, was er vorhat?«, fragte Caroline, die sich als Erste fasste.
»Wir sollten das lesen«, sagte Frederic dumpf.
»Ganz schön theatralisch«, sagte Ludwig. »Warum inszeniert er eine Krankheit und was hat es mit dem Schiff auf sich?«
»So war er stets«, sagte Frederic. »Er braucht den großen Auftritt!«
»Er wollte in die Presse, denn er weiß, dass es uns irgendwo gibt und wir das Weltgeschehen im Auge behalten.«
»Er wartet auf uns«, flüsterte Lilou.
»Das ist unmöglich«, sagte Frederic. »Ich muss mich irren. Vielleicht habe
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