Nachtklinge: Roman (German Edition)
darf mir gern Gesellschaft leisten.«
Mit raschem Seitenblick auf seinen Lehrer murmelte der Prinz etwas. Alexa schnappte nur das Wort
süß
auf. In Gegenwart von Roderigo musste Andronikos seine Empörung notgedrungen überspielen.
»Und der Deutsche?«
»Frederick wird in einem der Häuser der Dogaressa Quartier beziehen.«
»Ihr dürft gehen«, sagte Andronikos knapp, als habe er den Hauptmann der Zollbehörde selbst herzitiert. Finster blickte er in die Takelage. »Richtet der Dogaressa aus, dass sie bei unserem nächsten Gespräch ihre Augen bei sich behalten soll.«
52
W ie bitte?
Welches Angebot
habt ihr ihm gemacht?«
Dogaressa Alexa zündete ungerührt eine Kerze an.
Giulietta hatte sie den ganzen Nachmittag warten lassen. Als sich ihre Nichte schließlich herbequemt hatte, war sie so gereizt wie immer. Augenscheinlich kümmerte es sie nicht, dass Venedig von seinen ärgsten Widersachern, Byzanz und Deutschland, eingekesselt war.
Beobachter mit blühender Phantasie behaupteten, sie könnten die Flotte der Byzantiner an der Lagunenöffnung erspähen. Alexa hatte Zweifel daran. Sie selbst konnte, ausgerüstet mit dem Fernrohr ihres verstorbenen Gatten, kaum die Anzahl der Kriegsgaleeren ausmachen, die dort vor Anker lagen. Es waren an die fünfzig, alle mit drei Reihen von Ruderern.
Diese Schiffe hatten nicht nur magisches Feuer an Bord, sondern mit Sicherheit auch eine Besatzung aus erfahrenen Söldnern und geübten Bogenschützen mit gewaltigen Armbrüsten. Die byzantinischen Kriegsgaleeren waren den venezianischen überlegen und deutlich schneller, vorausgesetzt die Sklaven legten sich in die Riemen. Der einzige Nachteil dieser Galeeren, hoffte Alexa, war ihr tiefer Kiel, der das Manövrieren in der Lagune erschwerte.
Doch sie hatte noch eine größere Sorge.
Byzantinische Handwerker rammten Pfähle in die Lagune und erbauten eine Plattform aus eigens mitgeführtem Baumaterial. Vermutlich handelte es sich um eine Geschützplattform, von der aus man Venedig unter Beschuss nehmen würde, falls sich die Stadt für den deutschen Rivalen entschied.
Der größte Teil von Venedigs Flotte war bei der Seeschlacht vor Zypern gesunken. Alexa hätte wissen müssen, dass Byzantiner und Deutsche jedes Anzeichen von Schwäche der Serenissima ausnutzen würden.
Wir stecken in Schwierigkeiten,
hätte sie am liebsten zu ihrer Nichte gesagt.
Ich brauche dringend deine Hilfe.
Alexa fragte sich, woran ihre Nichte wohl dachte, außer an ihre eigene Entrüstung. Stattdessen sagte sie:
»Sieh dir ihre Flotte an.«
Sie sollte sich die Flotte der Byzantiner ansehen? Das war ja wohl nicht zu fassen.
»Diese verdammte Flotte interessiert mich kein bisschen.«
Die Dogaressa seufzte. »Meine Liebe«, sagte sie. »Irgendwo müssen wir Prinz Nikolaos unterbringen, und zurzeit wohnst du nicht einmal in Leopolds Haus.«
»Du hast kein Recht, den Byzantinern die Ca’ Friedland als Unterkunft anzubieten. Das Haus gehörte Leopold und damit gehört es jetzt mir.« Giulietta war den Tränen nahe.
»Meine Liebe …«
»Wage es nicht, mich so zu nennen.«
Giulietta blickte zornig zu den Schiffen in der Lagune: Fredericks nordische Kogge mit dem typischen hohen Bug, beflaggt mit dem schwarzen Adler auf blutrotem Grund. Das golden schimmernde Kriegsschiff des byzantinischen Prinzen, neben dem der
bucintoro
des Dogen wie ein Abfallkahn wirkte. Sie hasste beide Prinzen.
Sie hasste alles, wofür sie standen.
Auf dem Tisch der Dogaressa lagen Briefe beider Kaiser. Beide forderten die Ehe Giuliettas mit ihrem Sohn. Beide pochten auf das Recht auf die Hand der venezianischen Erbin, betonten ihre uralte Verbundenheit mit der Stadt und unterstrichen die zahlreichen Vorteile einer solchen Verbindung; und schlossen mit einer unausgesprochenen Drohung, falls das Angebot abgelehnt werden sollte.
Giulietta saß in der Falle.
Natürlich wusste sie, dass sie eine Art Trumpfkarte war, die man zur rechten Zeit ausspielte. Sie hatte allerdings gehofft, Leopolds Tod hätte sie von diesem Los befreit.
Immerhin hatte der Rat der Zehn ihr Zeit verschafft, indem er sich eine Bedenkzeit von zwei Tagen ausgebeten hatte. Die Entscheidung fiel schwer genug, da man sich unweigerlich einen der beiden Kandidaten zum Feind machte. Die byzantinische Kriegsflotte blockierte die Lagunenmündung, das Heer des deutschen Prinzen lauerte auf dem Festland.
Man konnte nur hoffen, dass der Erwählte militärisch überlegen sein würde. Giulietta musste
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