Nachtklinge: Roman (German Edition)
Stimme aus dem Hintergrund. »Graf Atilo, so wartet doch, bis Euer Zorn verraucht ist.«
»Du weißt doch am Besten, was sie getan hat.«
»Vielleicht gibt es eine einfache Erklärung, und ich habe mich getäuscht«, wandte Iacopo ein. »Es war dunkel.«
»Still!«, fauchte Atilo. »Ich weiß, du hast die Wahrheit gesagt.«
»Was soll ich denn getan haben?«
»Wo wart Ihr heute Abend?«
»Hier …« Desdaios Stimme hätte nicht schwanken dürfen. Sie war eine schlechte Lügnerin. Ihre Lippen zuckten, und sie lief rot an. Nur gut, dass Atilo sie nicht sehen konnte.
»Schwört Ihr es?«
»Aber …«
»Bei Eurer Seele, die im ewigen Fegefeuer schmoren soll, falls Ihr lügt: Schwört Ihr es?«
»Atilo …«
»Schwört es!«
»Aber warum?«, fragte Desdaio mit erstickter Stimme.
»Weil ich hören will, wie Ihr Euch selbst ins Verderben stürzt.«
So hatte sie Atilo noch nie zuvor erlebt. Auf den Befehl dieses Mannes waren Städte verwüstet und Meuterer aufgehängt worden. Das hier war der ehemalige Admiral der Mittelmeerflotte des verstorbenen Dogen.
»Ich habe nichts Unrechtes getan.«
»Warum sollte ich Euch diesmal glauben?« Seine Stimme klang bitter. »Ihr habt schon einmal mein Vertrauen missbraucht.«
»Es ist nichts Unrechtes geschehen.«
»Ihr habt damals gelogen. Ihr wart bei ihm.«
»Ich habe Euch die Wahrheit gesagt.«
»Nachdem Ihr mich zuerst belogen habt. Zeigt mir das Unterkleid, das Ihr heute Morgen angezogen habt, und das Taschentuch, das ich Euch geschenkt habe. Das Tuch mit maltesischer Spitze, mit Euren Initialen.«
Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und brachte kein Wort heraus. »Warum?«, fragte sie schließlich nach einer Weile stockend.
»Weil ich es so will.«
»Woher …?« Das leise Flüstern brach ab.
Alexa wusste, was Desdaio hatte fragen wollen. Woher wusste er von dem verlorenen Taschentuch? Das sie streng genommen ja nicht einmal verloren hatte. Eine Frage, die nur eine einzige Antwort zuließ. Er hatte sie beobachten lassen.
»Lasst uns morgen darüber reden.«
Das hätte sie nicht sagen sollen. Ein mächtiger Schlag ließ die Tür erzittern. Der Putz rieselte wie Schnee auf die Dielen und begrub Desdaios Glück.
Besorgt strich Alexa mit dem Finger über das Wasser in der Jadekugel, bis sie das Gesicht eines Jungen darin entdeckte. Sie wollte beobachten, was im Haus des Mauren geschah, ohne dabei Pietro aus den Augen zu verlieren.
Wo blieb Tycho denn nur? Desdaio brauchte dringend seine Hilfe.
Alexa rief eine Bedienstete und befahl ihr, einen ihrer Spione zu wecken, der Dr. Crow finden und ihr anschließend unverzüglich Bericht erstatten sollte. Außerdem musste ein Palastbote geweckt werden und sich in Bereitschaft halten.
Es war nicht einfach, das Gleichgewicht zwischen Beobachten und Eingreifen zu halten. Sie wollte Alonzos geheime Pläne erfahren und zugleich verhindern, dass ihr Liebhaber einen Narren aus sich machte. Die Versuchung, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen, war groß, denn jeder Eingriff in natürliche Abläufe hatte seinen Preis. Was zuerst wie ein Gewinn erschien, konnte sich möglicherweise als Verlust entpuppen. Die Venezianer dachten immer an monetäre Vorteile und vergaßen darüber oft, dass Menschen in komplizierteren Währungen dachten.
33
W as hast du hier verloren?«
Pietro wirbelte herum, riss das Messer aus dem Gürtel und ging in geduckte Kampfhaltung. Ein Tritt des Gegners, und der Junge blickte entsetzt seiner in hohem Bogen davonfliegenden Waffe hinterher. Dann umfasste er sein schmerzendes Handgelenk.
Die Dogaressa erkannte die Gegnerin des Jungen sofort.
Silberglöckchen tanzten in den Zöpfen der Nubierin, und Alexa hätte schwören können, dass Blut an den Händen des Mädchens glänzte. Amelia leckte sich die Finger ab und rieb sie an ihrem schäbigen Gewand trocken. Die beiden starrten einander an.
»Du gehörst ins Bett«, sagte Amelia schließlich.
»Du auch.«
Amelia blickte zum Neumond und sagte: »Nein. Heute Abend habe ich frei, und morgen reise in nach Paris. Auf Befehl von Graf Atilo.«
»Um den König zu ermorden?«
Amelia schnaubte. »Um den einzigen Arzt auszuschalten, der ihn vor dem Wahnsinn retten kann. Ein wahnsinniger französischer König ist ein harmloser König. Obwohl, bei den Valois weiß man ja bekanntlich nie. Geh jetzt nach Hause und stör mich nicht weiter.«
»Gräfin Desdaio …«
»Was ist mit ihr?«
»Graf Atilo ist betrunken und steht brüllend vor ihrer
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