Nachtklinge: Roman (German Edition)
unkeusch?«
»Bis heute Abend glaubte ich es nicht, aber nun …«, Iacopo zuckte die Achseln. »Ich erzähle Euch, was ich gesehen und gehört habe.«
Er berichtete knapp, was er durch die Fensterläden gehört und später an der Tür gesehen hatte und erwähnte zum Schluss, dass die Gräfin kein Unterkleid getragen habe.
»Dieser Bastard hat ihr …?«
»Graf, das weiß ich nicht genau.«
»Nicht nötig. Er hat sie entehrt, das beweist das Blut auf dem Taschentuch. Sie hat sich hierhergeschlichen, um alles zu vertuschen.«
Iacopo erschauerte.
Vielleicht dachte auch Atilo daran, wie er damals das Gesicht seines Dieners zerschnitten hatte, der jetzt den Blick gesenkt hielt und ausgesprochen unbehaglich dreinsah.
»Ich hätte dir schon damals glauben sollen.«
»Ich habe Euch immer die Wahrheit gesagt, Graf. Ich habe Gräfin Desdaio aus Tychos Keller kommen sehen. Meine Aussage habe ich nur widerrufen, weil Ihr mich sonst umgebracht hättet. Ich habe gelogen, um meine Haut zu retten.« Er hob das Kinn.
Atilo nickte langsam. »Ich habe dir unrecht getan. So wie sie mir jetzt unrecht getan hat.«
Atilo hatte das gehässige Lächeln seines Dieners nicht wahrgenommen, zwei andere Beobachter hatten es jedoch sehr wohl bemerkt. Eine davon sah es in einer mit Wasser gefüllten Jadeschale. Der zweite war ein fiebernder Junge.
Pietro ging ängstlich unter einer Bank in Deckung, als Atilo an ihm vorbei zur Treppe stapfte. Der Junge wirkte schmal und furchtsam, war aber deutlich gereift, seit Alexa ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Atilos Schritte hätten Tote wecken können.
Pietro spähte im Vorbeigehen rasch in die Küche. Iacopo hatte sich mit breitem Grinsen auf einem Stuhl niedergelassen und öffnete gerade einen der besseren Weinkrüge seines Herrn. Die staubigen Stiefel hatte er auf den Tisch gelegt.
Alexa sah, wie Pietro angestrengt nachdachte.
Iacopo war älter, schwerer bewaffnet und besser ausgebildet. Noch war der Junge ihm unterlegen und konnte ihn nicht zwingen, seine Lüge zurückzunehmen. Dafür musste ein anderer sorgen, und Alexa ahnte, wen Pietro im Sinn hatte.
Am Kanalufer bekreuzigte sich der Junge.
Zur Sicherheit küsste er zusätzlich noch ein billiges Medaillon von St. Gennaro, Schutzpatron der Waisen, das er um den Hals trug. Dann holte er tief Luft und sprang in das schwarze Wasser.
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S ieh in die Saat der Zeit und sag, welcher Samen aufgeht und welcher verdorrt …
Das pflegte Alexas Mutter immer zu sagen; eine schlechte Mutter, aber eine großartige Hexe. Sie entstammte einer Ahnenreihe, die Totenwandler und hervorragende Schützen hervorgebracht hatte. Glaubten die Menschen wirklich, zur Eroberung der Welt sei nichts weiter nötig als kräftige Pferde und gute Waffen?
Alexa blickte zweifelnd in ihr Jadegefäß. Sollte sie bei dem Jungen bleiben oder in die Ca’ il Mauros zurückkehren?
Sie überlegte kurz, ob sie Tamerlan bei Gelegenheit um eine zweite Jadeschale bitten sollte und lächelte dann über ihre eigene Unverfrorenheit. Dieses Geschenk des Khans war unendlich kostbar und bewies, welche Bedeutung er der Verbindung zwischen seinem Reich und ihrer neuen Heimatstadt beimaß. Zumindest hoffte sie, dass das sein Beweggrund gewesen war.
Sie beschloss, zunächst in der Ca’ il Mauros zu verweilen.
Zuvor streute sie einige Teeblätter in die kleine eiserne Kanne und goss kochendes Wasser darüber. Nach einer Weile schenkte sie sich anmutig und bedächtig die erste Tasse ein.
Der Tee hatte Alexas ganze Aufmerksamkeit beansprucht, und so entging ihr Atilos erster Satz. Der Maure hatte sich vor Desdaios verschlossener Tür aufgebaut.
»Macht die Tür auf!«
»Graf Atilo, es ist mitten in der Nacht.«
»Wir müssen sofort reden.«
»Morgen, wenn Ihr wieder einen klaren Kopf habt.«
»Ich bin nicht …«
»Ich höre es an Eurer Stimme.« Desdaio erwartete offenbar, dass Atilo eine Entschuldigung murmeln und sich zurückziehen werde.
»Öffnet die Tür!«
Sie zuckte zusammen, als er gegen die Tür hämmerte, dass der Putz von der Wänden bröckelte.
»Was versetzt Euch so in Aufruhr?«
»Ihr selbst, Gräfin. Und Euer Benehmen.«
»Was habe ich getan?« Desdaio verfluchte sich selbst, als ihre Stimme zitterte. Alexa wusste vom Hörensagen, dass Desdaio von ihrem Vater nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst worden war.
»Was werft Ihr mir vor?«
»Das fragt Ihr noch?«
Sie wich zurück, als ein Tritt die Tür erbeben ließ.
»Wartet!«, ertönte Iacopos
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