Nachtklinge: Roman (German Edition)
habe wichtige Neuigkeiten.«
»Sie hätte schon nichts gesagt.«
Alle Bediensteten im Dogenpalast waren zum Schweigen verpflichtet, wenn sie ihre Familien nicht in Schwierigkeiten bringen wollten.
»Sie ist ein Spitzel.«
»Des byzantinischen Kaisers?« Erschrocken setzte Alonzo das Weinglas ab und hob es sofort wieder.
»Sigismunds. Ich wäre dir dankbar, wenn du die Finger von ihr lassen könntest.« Das war natürlich eine glatte Lüge, die Dienerin war nur ein einfaches Mädchen aus dem Veneto. Ihr Vater, der mit der Levante Handel trieb, hatte ihr einen Platz im Palast gekauft. Ihr Vater war der Spitzel, und es kam Alexa gerade recht, seine Tochter in der Nähe zu haben.
»Was hast du für Neuigkeiten?«, erkundigte er sich.
»Sie betreffen Sigismund.« Diese Neuigkeiten mussten für Alonzo wie eine Bestätigung ihrer Lüge über das Dienstmädchen klingen. Diesmal galt es, ihn zumindest zeitweise auf ihre Seite zu bringen.
Wie die meisten Männer der Millioni zeigte auch Alonzo wenig Verständnis dafür, dass viel Fingerspitzengefühl nötig war, um Venedig nicht nur vor äußeren, sondern auch vor inneren Feinden zu schützen. Alexa war seit Langem der Ansicht, dass Europas größtes Problem darin bestand, dass es nur einen Gott gab. Dass er aus dem Herrgott, der heiligen Jungfrau und Jesus bestand, ergab für sie kaum Sinn, da sich die drei stets einig zu sein schienen.
Wozu scheinheilig um eine Sache bitten, wenn man in Wirklichkeit etwas anderes wollte? War das nicht unnütze Zeitverschwendung? Im Reich des Khans existierte ein Dutzend Götter, und jeder musste auf andere Weise angebetet und besänftigt werden, jedem musste man das Gefühl geben, wichtiger zu sein als die anderen.
»Alles deutet darauf hin, dass Sigismund einen Krieg vorbereitet.«
»Wie meinst du das?«
»Frederick befindet sich auf dem Weg hierher.«
Sie beobachtete, wie der angetrunkene Alonzo langsam den Sinn ihrer Worte erfasste – wenn es auch nicht so lange dauerte, wie sie angenommen hatte. Dann riss er die Augen auf.
»Noch ein Glas?«, fragte sie einladend.
Sie schenkte ihm ein, als seien sie alte Freunde und keine Erzfeinde, die nur darauf lauerten, sich gegenseitig aus dem Weg zu räumen.
»Wann wird er ankommen?«
»Das ist noch ungewiss. Der Junge ist mit einer ganzen Armee unterwegs.«
Kaiser Sigismund herrschte über Ungarn, Kroatien und Deutschland und hätte seinem Reich nur zu gern die Lombardei und Venedig hinzugefügt. Er war bestrebt, die beiden Päpste zu zwingen, sich auf ein Papsttum zu einigen. Durch diesen Schachzug wollte er sich Roms Dankbarkeit sichern und die Vergebung seiner zahllosen Sünden erwirken.
Vielleicht würde es ihm gelingen, das Schisma zu beenden, doch ob ihm seine Sünden vergeben wurden, wusste nur Gott allein. Alexa hatte in den vergangenen Jahren jedenfalls alles darangesetzt, damit Venedig nicht in Sigismunds Hände fiel.
Nun sah es so aus, als würde sie scheitern.
Sigismund hatte keine ehelichen Kinder, sondern nur zwei Bastarde. Leopold war tot, und der zweite Sohn, Frederick, befand sich auf dem Weg nach Venedig. Den Gerüchten nach liebte er beide Söhne über alles und hatte sie keineswegs nur deshalb zu seinen Erben ernannt, um die Adeligen vor den Kopf zu stoßen. Frederick war der jüngere der beiden Brüder und musste ungefähr achtzehn Jahre alt sein. Alexa musste herausfinden, ob er Kriegshund war, genau wie sein Bruder.
Als Bastarde hatten sie kein Recht auf den Thron. Sigismund hatte jedoch beide als rechtmäßige Söhne anerkannt und sie zu Reichsfürsten erklärt, um die Thronfolge zu sichern. Mehr konnte ein Vater nicht tun.
»Wie können wir uns den deutschen Kaiser vom Leibe halten?«
»Giulietta wäre ein solches Mittel, aber damit fällt Venedig früher oder später auch an das deutsche Reich.«
Alonzo gefiel dieses Gespräch nicht im Mindesten, aber er ahnte, dass Alexa die Wahrheit sagte, und bedeutete ihr mit einem Nicken, fortzufahren.
»Marco wird keinen Erben hervorbringen.«
So, es war heraus. Sie konnte an seiner entgeisterten Miene ablesen, dass er nie und nimmer mit diesem Eingeständnis gerechnet hatte. Sie hielt sich viel darauf zugute, den Tatsachen ins Auge zu sehen, aber diesmal fiel es ihr besonders schwer. Sie fragte sich, ob Alonzo ebenso tapfer sein würde.
»Sind meine Erben denn nicht zur Nachfolge berechtigt?«
»Soweit ich weiß, ist keine deiner Mätressen je schwanger geworden.« Für einen winzigen Augenblick
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