Nachtklinge: Roman (German Edition)
Ländereien?«
Der Haushofmeister lächelte kurz und schüttelte den Kopf. »Nein, Prinzessin, die Toten wurden immer unmittelbar hinter Eurer Grenze gefunden.«
»Sagt mir, wenn einer meiner eigenen Priester stirbt. Noch etwas?«
»In den Wäldern sind Wölfe gesehen worden.«
Giulietta erstarrte.
»Hier hat es schon immer Wölfe gegeben«, fügte er hastig hinzu. »Sie sind hinter den Herden her, und die Hirten halten sie mit Schlingen ab.«
»Warum erzählt Ihr es mir dann?«
Ihre Stimme klang nicht mehr so froh. Verglichen mit ihrem früheren Selbst war sie jedoch immer noch ausgesprochen ruhig und höflich.
Der Haushofmeister wirkte verlegen.
»Nun, Ihr wisst ja, wie abergläubisch Bauern sind«, sagte er, als sei seine eigene Familie etwas Besseres.
»Meister Theo, bitte …«
Er seufzte. »Angeblich tötet ein Mann mit Schwert die Wölfe, Prinzessin. So heißt es. Er enthauptet sie mit seiner glänzenden Klinge und schleppt die toten Tiere in eine Schlucht.«
»Hat denn jemand einen enthaupteten Wolf entdeckt?«
»Nein, Prinzessin, genau dasselbe sage ich auch immer wieder. Wenn Wölfe enthauptet würden, müsste man irgendwo tote Wölfe ohne Kopf finden.«
»Tycho, wie lange geht das schon?«
Tycho, der am Fuß von Giuliettas Bett saß, schlang die Arme um die Beine und legte das Kinn auf die Knie. Das geöffnete Fenster, durch das er gekommen war, ließ Sternenlicht und den Wind herein.
Er wog die Worte vorsichtig ab, bevor er antwortete.
Er war seit Wochen äußerst vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken. Sie sprachen miteinander, nicht mehr. Bis auf die wenigen Ausnahmen, wenn sie sich küssten. Ganz langsam, das machte sie glücklich. Leidenschaftliche Küsse hingegen fand sie beunruhigend.
Seit Kurzem schlief sie in seinen Armen ein.
Es war ein Geduldsspiel, aber immerhin lernte er eine Menge über Venedig, Geschichte und Politik. Er begnügte sich mit Rosalies Blut, die ihrerseits Priesterblut trank, weil sie die Erinnerungen der frommen Männer mochte. Hin und wieder ließ er Giulietta allein, um ein paar Kriegshunde zu töten, bevor sie ihr gefährlich werden konnten.
Das Leben war beinahe perfekt.
Der Wind trug den Geruch von Lavendel und Mist, Hopfen und Rauch von einem noch glimmenden Küchenfeuer ins Zimmer. Dieses Gemisch würde ihn für immer an Alta Mofacon erinnern.
»Seit ungefähr einer Woche«, gestand er schließlich zögernd.
»Ungefähr?«
»Gut, etwas länger. Die beiden ersten sind in der Nacht nach unserer Ankunft aufgetaucht.«
»Was wollen sie?«
»Ich habe sie nicht gefragt. Sie kommen einzeln oder zu zweit.«
»Und so tötest du sie auch?«
»Ich töte immer nur einen, der zweite verschwindet dann von selbst. Es sind Kriegshunde.«
»Wie mein Ehemann.«
Tycho sah verletzt aus.
»Eifersüchtig?«, fragte Giulietta.
»Immer.«
Ihre Miene wurde sanfter, aber sie konnte einen Seufzer nicht unterdrücken.
43
H abt Ihr ihn gefunden?«
Regent Alonzo lief rot an, und seine Schwägerin beobachtete belustigt, wie er seine Wut bezähmte. Seit er geschworen hatte, Tycho innerhalb eines Tages gefangen zu nehmen, waren Wochen verstrichen.
Alexa hatte darum gebeten, ihn im Kartenraum zu treffen. Hoffentlich würden die Wandmalereien Alonzo daran erinnern, welche Gefahren Venedig bedrohten. Vor einem Jahrhundert war die Landkarte Europas neu gezeichnet worden, und sie hoffte, dass ein weiteres Jahrhundert vergehen würde, bevor sie sich abermals verändern würde. Alexa hatte es aufgegeben, die Karte von Asien mit den Eroberungen Tamerlans auf dem neuesten Stand zu halten. Marcos Kartograf hatte die eroberten Gebiete einfach mit einer durchsichtigen, grünen Farbschicht bedeckt.
Der Regent trank wieder einmal, was Vor- und Nachteile hatte. In betrunkenem Zustand hatte er sich nicht im Griff, nüchtern zettelte er Intrigen an und erwies sich mitunter sogar als einfallsreich.
»Noch ein Glas Wein?«, fragte Alexa.
Eine Dienerin stürzte herbei und hob beflissen den Weinkrug, bevor Alonzo danach greifen konnte. Sie war jung und hübsch, mit breiten Hüften, dunkler Haut und welligem Haar, ganz wie es Alonzos Geschmack entsprach. Das Mädchen erschrak, als die Finger des Regenten an ihrem Knie emporwanderten.
»Du kannst gehen«, befahl Alexa rasch.
Die Dienerin nickte dankbar, und Alexa übersah geflissentlich, wie sie mit einem Hüftschwung die vorwitzige Hand des Regenten abschüttelte.
»Warum hast du sie weggeschickt?«, fragte er gereizt.
»Ich
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