Nachtkrieger: Ewige Begierde
gegen ihn abzugrenzen. Sie konnte ihn jedoch nach wie vor fühlen, jenseits der Grenze, und so wusste sie, dass seine Lust ungebrochen war. Das war genau richtig. Es war nötig, dass er sie wollte. Es war alles, was sie gegen ihn in der Hand hatte.
Die schwach hörbaren Glocken eines in der Ferne liegenden Klosters hatten gerade zum Mittagsgebet gerufen, als sie oben auf der Kuppe eines Hügels angekommen waren. Steinarr wies auf den Rauch, der am anderen Ende des Tals unter ihnen aufstieg. »Dort. Das ist Harworth.«
Matilda reckte den Hals, um einen besseren Ausblick zu haben. »Schon? Ihr spracht von zwei oder drei Tagen.«
»Abhängig davon, wie viele Pausen wir machen würden. Und wir haben keine Pausen gemacht.« Er warf einen Blick über die Schulter und fügte hinzu: »Noch nicht.«
Dieser Satansbraten.
Sie richtete den Blick fest auf das Dorf. »Dann lasst uns nun eine Pause machen, Mylord.«
»Das hättest du gern, oder?«
»Einzig und allein, weil es bedeuten würde, dass Ihr beschlossen hättet, Euch an unsere Abmachung zu halten.«
»Bist du dir da sicher?« Er richtete den Blick wieder nach vorn und ritt den Hügel hinunter. »Woher willst du überhaupt wissen, dass ich dich nicht ein- oder zweimal nehme und dann einfach zurückbringe? Oder dich irgendwo hilflos zurücklasse?«
Obwohl er es mit gröberen Worten formuliert hatte, hatte er eigentlich die gleiche Frage gestellt wie Robert, und so ignorierte sie die Tatsache, dass er sie provozieren wollte, und überlegte: Woher
wollte
sie es wissen? »Weil Ihr Euch die Zeit nahmt, John Little zu begraben, und weil Ihr es wagt, diese Frage überhaupt zu stellen. Jemand, der vorhätte, mich sitzen zu lassen, hätte kein Interesse daran, dass ich darüber nachdenke, bevor er mit mir fertig ist.«
»Mag sein, aber …«
»Und weil Ihr wesentlich mehr wollt, als mich ein- oder zweimal zu nehmen.«
Er schnaubte verächtlich. »Du hast eine ziemlich hohe Meinung davon, was du zu bieten hast.«
Was du zu bieten hast?
»Nicht halb so hoch wie Ihr, Mylord«, gab sie mit fester Stimme zurück, wütend darüber, dass er sie wieder einmal als Hure bezeichnet hatte, ohne das Wort selbst zu benutzen. »Und ich denke nicht halb so oft daran.«
»Woher willst du wissen, wie oft ich daran denke?«
Weil ich es jedes Mal spüren kann,
hätte sie am liebsten geschrien, aber in ihrer Wut hatte sie ohnehin bereits zu viel preisgegeben.
»Ihr seid ein Mann«, sagte sie stattdessen. »Soweit ich weiß, denken Männer den ganzen Tag lang an körperliche Liebe, wenn sie sie nicht gerade praktizieren.«
»Da irrst du dich«, sagte er und lachte in sich hinein. »Wir denken insbesondere dann an körperliche Liebe,
wenn
wir sie praktizieren – zumindest diejenigen von uns, die sich darauf verstehen. So, wo ist nun die heilige Stätte, die du aufsuchen möchtest?«
Wo? Eine berechtigte Frage. Die Frage nach Sir Steinarrs Fähigkeiten –
Verstand er sich darauf?,
fragte der lüsterne Teil von ihr, den die Priester ihr hatten austreiben wollen – trat in den Hintergrund zugunsten des eigentlichen Problems: Sie hatte das Rätsel von Headon noch nicht gelöst. Und da sie nicht die leiseste Ahnung hatte, wo sie anfangen sollte, äußerte sie die Vermutung, die am nächsten lag. »In der Kirche.«
Die Kirche sah ähnlich aus wie die in Maltby und wie in all den anderen Dörfern, durch die sie geritten waren: ein einfaches Steingebäude am Anger, mit einem Friedhof auf der einen Seite. Sie stand vor dem schweren Eichentor und betrachtete die geschnitzten Figuren über dem Sturz: die sieben Todsünden. Passenderweise kam Lust als Erstes, eine Mahnung hinsichtlich des ihr drohenden Sündenfalls.
Als Steinarr die Pferde angebunden hatte, rief er ihr von der Straße aus zu: »Geh hinein! Ich versuche, jemanden zu finden, der Brot zu verkaufen hat. Und besseres Ale.«
»Das wäre großartig, Mylord.« Sie betrat die Kirche, froh darüber, dass er ihr bei dieser Gelegenheit nicht über die Schulter schaute.
Ein paar brennende Kerzen warfen tanzende Schatten auf den Altar und die Wandbehänge dahinter. Aus alter Gewohnheit tauchte sie ihre Finger in das Weihwasser, doch dann hielt sie inne. Ihre Sünden wogen zu schwer. Das würde sie mit dem Himmel in Ordnung bringen, wenn all das vorüber war, und sich jetzt selbst zur Heuchlerin zu machen, brachte sie einfach nicht über sich. Sie blieb auf einer Seite stehen, von wo aus sie den Kirchenraum in Augenschein nehmen
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