Nachtkrieger: Ewige Begierde
er wieder vollkommen von Dunkelheit umgeben war. Dann umkreiste er die Stelle, auf der Suche nach dem schwachen Punkt, nach dem Weg zu ihr, aber der Mann wusste es und legte mehr Holz ins Feuer, und höhere Flammen stiegen auf. Er konnte sie wittern, hinter den lodernden Flammen, und er knurrte. Der Mann hob seinen scharfen Stock und einen brennenden Ast. Er ging ein paar Schritte vorwärts und sprach.
Er konnte seine Worte nicht verstehen, aber es war eindeutig klar, was sie bedeuteten: Er konnte sie nicht haben.
Der andere hingegen schon. Tief in ihm steckte der andere, derjenige, der tagsüber aufrecht ging und der sie auch wollte.
Er
fürchtete sich weder vor Feuer noch vor Menschen.
Er
konnte sie haben, er brauchte sie sich nur zu nehmen.
So legte er sich hin, da wo der Mann ihn nicht mehr sehen konnte, und beobachtete alles und wartete ab. Und der, der tagsüber aufrecht gehen konnte, beobachtete ebenfalls alles und wartete mit ihm, die ganze Nacht, bis der Himmel heller wurde und das Bedürfnis, sich zu verstecken, größer wurde, sogar größer als der Trieb, sich ein Weibchen zu holen.
Es spielte keine Rolle. Er wusste ja, wo er sie finden würde, und der Mann konnte nicht immer da sein. Er würde wiederkommen, Nacht für Nacht, bis der Mann nachlässig wurde. Dann würde sie ihm gehören.
Der Löwe erhob sich und trottete lautlos davon.
Feiner Sprühregen fiel, als Steinarr sich am nächsten Morgen mit schmerzenden Gliedern erhob. Er schlug immer wieder die Arme um sich, um sich aufzuwärmen, und sah sich im Dämmerlicht um, auf der Suche nach dem Baum, in den einmal der Blitz eingeschlagen hatte und den er als einen Orientierungspunkt ausgewählt hatte.
Dort.
Er wankte hinüber zu dem Baum und fand sogleich den Hohlraum unter seinen Wurzeln, wo er seine Kleidung versteckt hatte. Als er sich seinen Umhang überlegte, hatte sich der Himmel so weit erhellt, dass die Wolken die Farbe alten Zinns angenommen hatten, und die Kälte war nicht mehr ganz so beißend. Abermals musste er sich orientieren, dieses Mal anhand einer Erhebung in südlicher Richtung, und machte sich auf den Weg zu dem Treffpunkt, den er mit Torvald vereinbart hatte.
Der Weg war beschwerlich. Der Regen hatte den Boden aufgeweicht, und Steinarrs Geist und Seele beherrschte noch immer das Wesen des Löwen. Er konnte es sich nicht genau erklären, aber seit einigen Tagen hatte das wilde Tier ihn mehr in seinen Klauen als üblich. Er konnte es fühlen, wie es unsichtbar umherschlich, voller Mordlust in der instinktiven Gewissheit von Marians Gegenwart. Woher er das wusste, war ihm nicht so recht klar. Er wusste es einfach, ebenso wie er wusste, dass diese Gewissheit das wilde Tier umso gefährlicher machte. Er würde sich in den kommenden Nächten weiter von den Lagerplätzen entfernen müssen, damit sie und Torvald in Sicherheit waren – ein weiteres Problem, was zu all den anderen hinzukam.
Sein größtes Problem aber war, dass er den Engländern ein Versprechen zu viel gegeben hatte.
Es war nicht seine Art, sich eines dieser Versprechen auszusuchen und es zu brechen. Das Wort eines Mannes galt so viel wie seine Ehre, und er hielt sich stets an das, was er versprochen hatte, selbst Engländern gegenüber – wobei er gelegentlich den Wortlaut einer Abmachung derart spitzfindig formulierte, dass die gegnerische Partei glauben mochte, er habe etwas ganz anderes zugesagt, als es tatsächlich der Fall war. Er hatte alles, was er Marian gesagt hatte, sehr sorgfältig abgewogen gegen die Abmachung, die er mit Guy getroffen hatte, so dass sie lediglich von der Annahme ausging, ihre Reise würde sie am Ende wieder zu Robin führen. Zu Robert, oder wie immer er auch heißen mochte.
Dann jedoch hatte Robert all das aus dem Gleichgewicht gebracht. Es ärgerte Steinarr, dass dieses Bübchen ihn gleichermaßen an zwei Fronten geschlagen hatte, indem er etwas verlangte, was exakt darauf hinauslief, was Marian sich vorgestellt hatte, und er ihm darüber hinaus das Versprechen abgenommen hatte, Marians Körper nicht anzurühren. Letzteres machte ihm besonders zu schaffen. Denn es lag ihm vollkommen fern, die kommenden Wochen mit einem Ständer zu verbringen und um eine Frau herumzuschleichen, die er nicht haben konnte.
Doch er hatte ebenso wenig Interesse daran, zu wählen zwischen der Verpflichtung, die er einem eitlen Pfau von englischem Edelmann gegenüber eingegangen war, und dem Versprechen, das er einem dahergelaufenen Dieb gegeben
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