Nachtkrieger: Ewige Begierde
vage Gefühl der Vertrautheit, das bis zur Grenze ihres Bewusstseins drang. Doch dann lächelte er, und es verflüchtigte sich. »Darüber hat er nicht gesprochen. Du solltest jetzt schlafen gehen, Marian. Du hast einen langen Tag vor dir.«
Er sah ebenso wild und furchteinflößend aus wie Sir Steinarr, so wie er dort stand, mit seinem ungekämmten Haar, der abgetragenen Kleidung und den markanten Gesichtszügen. Aber im Gegensatz zu seinem Freund ging von diesem Mann etwas Beständiges aus, das sie beruhigte. Sie holte tief Luft und nickte, dann zog sie sich in die Klause zurück.
Sie fand ihr Bündel und ein dickes Schafsfell, das Sir Steinarr danebengelegt hatte, und bald darauf lag sie in ihrem einfachen Bett. Der Stein unter dem Fell war eine harte Unterlage, aber die Müdigkeit, die sie zuvor schon beinahe übermannt hatte, ließ sie sogleich gähnen.
Sie war kurz vor dem Einschlafen, als ein weiteres Geräusch über die Bäume wehte, kein Gebrüll, sondern eine Art Knurren, grimmig und sehr viel näher. Sogleich saß sie senkrecht in ihrem Bett.
»Monsire?«
»Hier. Schlaf jetzt, Marian. Es ist nichts, wovor du Angst haben müsstest.«
Sie beugte sich vor, damit sie ihn sehen konnte. Er saß am Feuer, offenbar völlig entspannt, mit einem Stück Brot in der Hand und dem Aleschlauch auf dem Schoß. Er schien ganz eindeutig nicht beunruhigt, und seine Ruhe übertrug sich auf sie.
Sie hüllte sich fester in ihren Umhang und ihre Decke, dann legte sie sich wieder hin. Allmählich schlug ihr Herz wieder in seinem normalen Rhythmus, schließlich siegte die Erschöpfung, und sie sank in Schlaf. In dem Moment, kurz bevor sie eingeschlafen war, als ihre Lider sich noch einmal öffneten und schlossen, stand Torvald auf. Und das Letzte, was sie sah, war, dass er direkt jenseits des Feuers stand, mit dem Schwert in der Hand, um sie zu beschützen vor jeglichen Ungeheuern, die des Nachts umherstreiften.
Das Weibchen.
Der Löwe konnte sie spüren, riechen, wittern – weit weg, aber da. Er warf den Kopf zurück und kräuselte die Lefzen, um in der Nachtluft ihre Witterung aufzunehmen.
Ja. Das war sie.
Er warf seinen riesigen Kopf hin und her und sog prüfend die Luft ein, bis er festgestellt hatte, aus welcher Richtung die Witterung kam. Dann setzte er sich in Bewegung, um nach ihr zu suchen.
Er nahm auch den Geruch von Essen wahr, gemischt mit ihrem Duft. Beides befand sich am gleichen Ort. Gut. Er würde anschließend Nahrung brauchen.
Aber nicht die Suche nach Nahrung war es, die ihn antrieb. Nahrung gab es überall. Das Weibchen hingegen war etwas Seltenes. Etwas Besonderes. Er hatte kein eigenes Weibchen, aber er wollte eins, brauchte eins, mehr als alles andere. Mehr als Nahrung, Wasser, Schlaf oder die Jagd.
Ein Weibchen. Ein Männchen.
Er folgte den verschiedenen Fährten vorbei an Tieren, die er in jeder anderen Nacht zu seiner Beute gemacht hätte, aber nun standen sie einfach nur da und sahen zu, wie er an ihnen vorüberlief. Selbst die scheuen Hirsche und Rehe käuten ruhig ihre Kräuter wider, denn sie wussten, dass ihnen in dieser Nacht keine Gefahr drohte.
Ihr Duft wurde stärker, deutlicher, und der Löwe begann zu schnauben, als Vorbereitung darauf, dass er gleich nach ihr rufen würde. Schon stieg das Gebrüll aus seiner Kehle auf. Sie war in der Nähe. Ganz nah. Dann flackerte Licht zwischen den Bäumen auf, und sein Gebrüll erstarb.
Feuer. Menschen. Er.
Er kannte auch diesen Geruch. Eigentlich hätte er ihn schon längst wahrnehmen müssen. Das hätte er auch, wenn die Witterung des Weibchens nicht so deutlich spürbar in seinem Rachen gewesen wäre. Überall um ihn herum stieg ihr Duft auf und trieb ihn vorwärts. Er schlich sich an das Licht heran, und als er nahe genug war, sah er, dass der Mann, der so oft zwischen ihm und einer leichten Beute stand, nun zwischen ihm und
ihr
stand.
Der Mann hielt sie gefangen, dort in der Höhle hinter dem Feuer. Sie sollte sich nicht in der Nähe des Feuers aufhalten. Sie sollte sich nicht in seiner Nähe aufhalten. Er musste den Mann töten, dann käme er an sie heran. Der Löwe schlich sich weiter an, aber das Feuer brannte hell, und der Mann war wachsam, und selbst die Verlockung, die sie darstellte, vermochte die Erinnerung an den Schmerz, den dieser Mensch ihm zufügen konnte, nicht zu vertreiben. Dieser Mann konnte mit Feuer und spitzen Stöcken so tapfer umgehen wie kaum ein anderer. Dieser Mann verursachte
Schmerz.
Er wich zurück, bis
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