Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Eleanor an Richards Arm, in der Gasse hinter Burghersh Hall. Eleanor mit einer Hand auf Richards Knie, als sie auf Alnwick an ihm vorbeigeritten waren.
Hinter diesen Erinnerungen, Bilder von Eleanor, wie sie ihn berührte, ihn quälte, ein parfümiertes Taschentuch fallen ließ, das ihn halb wahnsinnig hatte werden lassen vor Begehren.
Er wusste, Frauen taten so etwas, setzten ihre Verführungskunst ein, um sich Männer gefügig zu machen. Er konnte verstehen, dass Eleanor sich so hatte verhalten müssen, um das wenige an Macht auszuüben, das ihr zur Verfügung gestanden hatte. Aber der Gedanke daran, dass sie bei ihm die gleichen Schliche angewandt hatte wie bei ihrem Ehemann, diesem Narr, gefiel ihm ganz und gar nicht, und ein Teil von ihm fragte sich, ob sie in dieser und in der Nacht davor nur bei ihm gelegen hatte, weil sie etwas von ihm wollte.
Im nächsten Moment verwarf er diesen Gedanken. Der einzige Grund, aus dem er überhaupt darauf gekommen war, bestand darin, dass sie von Richard gesprochen hatte, und der einzige Grund, aus dem sie von Richard gesprochen hatte, bestand darin, dass er, Gunnar, so dumm gewesen war, den Geist des Mannes hier in diesem Bett heraufzubeschwören.
Eleanor lag in seinen Armen, weil die Götter es so wollten. Sie gehörte ihm, sie war dazu berufen, ihn zu erlösen.
Und so hielt er sie einfach weiter in den Armen, schob das Flüstern des Zweifels beiseite, während sie sich küssten und in ihrer gegenseitigen Umarmung versanken. Der über dem Tal liegende Nebel färbte sich bereits weiß, als Gunnar aus dem Bett schlüpfte und seine Kleidung aus dem Durcheinander auf dem Boden heraussuchte.
»Jetzt schon?« Eleanor drehte sich um und setzte sich auf, die Decke bis über ihre Brüste hinaufgezogen. »Die Nächte sind so kurz.«
»In ein paar Tagen werden sie länger. Aber vielleicht spielt das dann keine Rolle mehr.«
»Warum nicht?«
»Mittsommerliche Magie«, antwortete er, und obwohl sie ihn fragend ansah, beließ er es dabei und zog hastig Kleidung und Stiefel an. »Schlaf weiter, heute Abend sehen wir uns wieder.«
Tränenüberströmt stand Eleanor im nebelverhangenen Licht der Morgendämmerung und sah, wie Gunnar sich in einen Stier verwandelte. Es war genau so furchtbar, wie sie es in Erinnerung hatte: Der Schmerz zwang ihn zu Boden, während sein Schreien allmählich zum Brüllen des Tiers wurde.
Sie hatte nicht auf ihn gehört, als er ihr gesagt hatte, sie solle weiterschlafen, sondern war ihm gefolgt, um es mit anzusehen. Und den ganzen Weg über hatte sie neuen Respekt vor den Männern bekommen, die für ihren Vater als militärische Kundschafter tätig waren. Ganz gleich, wie vorsichtig sie einen Fuß vor den anderen setzte, jeder Schritt schien begleitet vom Knacken eines Zweigs oder vom Rascheln eines Blatts. Dass Gunnar sie nicht längst bemerkt hatte, verwunderte sie. Offenbar hatte ihn die bevorstehende Tortur zu sehr abgelenkt.
Und diesen Qualen war er jeden Sonnenaufgang und -untergang ausgesetzt, und er führte weniger Klage darüber als andere Männer über das Waschen von Gesicht und Händen vor dem Essen. Gunnar war wirklich aus hartem Eisen geschmiedet – er und seine Freunde. Noch mehr Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie an ihren Mut dachte. Was sie durchmachten. Sie alle.
Der Stier, der nun voll und ganz Gestalt angenommen hatte, lag zitternd an der Stelle, wo Gunnar noch vor einem Moment gestanden hatte. Mit weit geblähten Nüstern zog er die Luft ein, doch nach und nach wurde sein Atem regelmäßiger, und seine Muskeln entspannten sich. Es dauerte nicht lange, und er hatte genug Kraft zurückgewonnen, um sich auf die Beine zu stellen. Eleanor erstarrte, denn auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie ganz allein mit einem Tier war, dass sie ohne weiteres hätte töten können, wenn Gunnar es nicht unter Kontrolle behielt. Doch zu ihrer Erleichterung wankte der Stier – noch immer zu orientierungslos, um überhaupt Notiz von ihr zu nehmen – in die entgegengesetzte Richtung und verschwand im Nebel.
Eleanor wischte sich die Wangen ab, sammelte sich und machte sich auf den Weg zu dem Pfad, der zurück zum Lagerplatz führte. Obwohl sie versucht hatte, sich den Weg genau zu merken, sah die Gegend im wechselnden Licht der Nebelschwaden plötzlich anders aus. Sie konnte den Pfad nicht finden.
Als ihr klarwurde, dass sie ihn verpasst hatte, lief sie ein paarmal hin und her, auf der Suche nach ihm, aber ohne Erfolg. Sie überlegte
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