Nachtkrieger
lassen. Vielleicht hat der eine oder andere von ihnen das Glück, sein Amulett zu finden.«
»Alle müssen es finden, My Lord«, erklärte Tom. »Merewyn sagte, dass Sir Brand von Cwens Zauberspruch am stärksten betroffen sei, weil er in jener Nacht Euer Anführer war, und dass alle von euch den Bann brechen müssen, bevor er frei sein kann.«
Alle anderen? Wo es zweihundertvierzig Jahre gedauert hatte, zufällig auf dieses zu stoßen. Unmöglich.
»Dann werden wir sie
alle
suchen«, sagte Alaida mit fester Stimme. Und wie zuvor ihre Liebe durchströmte Ivo nun ihre Zuversicht und nahm ihm seine Zweifel.
»Wir werden nicht ruhen, bevor wir alle gefunden haben«, schwor er. »Aber zunächst müssen wir Beatrice und dich nach Hause bringen. Wir können den Rest des Wegs zu Pferd zurücklegen, nun da Brand fort ist … mit …« Er brachte es nicht fertig, Merewyns Namen auszusprechen. »Ich werde Kraken reiten.«
Tom übergab Ivo Krakens Zügel. Er selbst nahm Aris Pferd. Als er in den Sattel stieg, zuckte er zusammen.
»Zeig mir deine Hand«, sagte Ivo. Tom streckte die Hand aus, und selbst im verblassenden Mondlicht sah Ivo, dass Toms Hand bis nahezu auf die Knochen aufgescheuert war.
»Thomas, du hättest etwas davon sagen müssen«, sagte Alaida.
»Es tut nur ein bisschen weh, My Lady. Es gab Wichtigeres.«
»Aye. Das gab es«, sagte Ivo. Seiner Ansicht nach hatte der Junge sich längst verdient gemacht, auch wenn es noch eine Weile dauern würde, bis es sich für ihn auszahlte. Ivo hatte genug Zeit, um ihm gebührend zu danken und ihn für seinen Mut zu belohnen. Ein ganzes Leben lang – wenn auch nur ein einziges. An diesen Gedanken musste er sich erst wieder gewöhnen und lernen, jeden Moment zu genießen. Tag für Tag.
»So, Tom, nun lass uns die beiden Damen nach Hause bringen.«
Als sie die Brücke überquerten und den Hügel hinauf nach Alnwick ritten, krähten bereits die Hähne. Vom Wall ertönte ein Schrei, und sogleich öffneten die Wachen das Tor, um sie willkommen zu heißen. Erleichtert ritt Ivo voraus in den Hof.
Endlich waren sie in Sicherheit.
Doch seine Erleichterung schwand, als er sah, dass sich eine Gruppe Edelmänner vor der Tür des Herrenhauses versammelt hatte. Er warf einen kurzen Blick auf ihre Gesichter und erkannte Flambard, Brainard, de Jeune und weitere Mitglieder des Kronrats. Ranulf Flambard hob den Arm, und etwa zwanzig Ritter folgten ihm zur Mitte des Hofs und bildeten einen Kreis um die drei Reiter. Die Männer von Alnwick protestierten, unternahmen aber nichts. Offenbar hatten sie entsprechende Anweisungen erhalten.
Tom ritt um Alaida herum und griff nach Aris Schwert, das am Sattel seines Pferdes hing.
»Ganz ruhig, Tom«, sagte Ivo.
Kurz darauf spazierte König William aus dem Haus, und Ivo entspannte sich. Mit William würde er schon zurechtkommen. Doch dann sah er, wer hinter ihm stand.
»Fitz Hubert! Ihr seid bereits zweimal von meinem Grund verwiesen worden.« Ivo schwang sich aus Krakens Sattel und sah Neville mit eisigem Blick an. Er half Alaida aus dem Sattel und vergewisserte sich, dass Beatrice wohlbehalten in den Armen ihrer Mutter lag. Dann gab er beiden einen Kuss.
»Was will der König hier?«, fragte Alaida im Flüsterton.
»Das werden wir bald erfahren. Bewahre Haltung.« Ivo gab Alaida einen weiteren Kuss auf die Wange und ging mit ihr zum König, um ihn zu begrüßen. Er kniete vor William nieder und sagte: »Sire. Seid willkommen auf Alnwick.«
»Steht auf«, sagte William ungeduldig. »Ist das Eure Gemahlin?«
»Jawohl, Euer Gnaden. Lady Alaida, die Ihr mir zur Frau gabt, und unsere Tochter, Beatrice.«
Alaida machte einen Hofknicks – nicht so tief, wie sie gekonnt hätte, aber tief genug, wenn man bedachte, dass sie ein Kind in den Armen trug. »Euer Gnaden«, sagte sie knapp.
»My Lady. Euer Marschall berichtete, Eure Tochter und Ihr wurdet von Gesetzlosen verschleppt.«
»Das wurden wir, Euer Gnaden.«
»Ich konnte sie befreien, ohne dass sie verletzt wurden«, sagte Ivo.
»Und wo sind Eure Leute?«
»Sie begraben die Toten, darunter auch die ehemalige Amme meiner Gemahlin. Sie war Teil der Verschwörung.« Ivo schwieg einen Augenblick, um den Männern von Alnwick Zeit zu geben, diese Neuigkeit zu verarbeiten. Dann sah er fitz Hubert in die Augen und fuhr fort: »Da wir gerade von Verschwörungen sprechen, Euer Gnaden …«
»Seht Euch vor, My Lord. Sir Neville gehört zu meinen Gefolgsleuten.« William winkte
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