Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Hendrix
Vom Netzwerk:
die Glocken läuten«, sagte Alaida und fügte ein wenig enttäuscht hinzu: »Nun muss ich wohl einen Monat warten, bis ich erfahre, wie die Geschichte ausgeht.«
    »Nein, nur bis Ihr sicher in Eurem Gemach angekommen seid, My Lady. Na los doch!« Ari ließ das Grüppchen Aufstellung nehmen. Alaida zog ihre Röcke und ihren Umhang glatt, was sich als gar nicht so einfach erwies, denn ihre Kleidung war vollkommen durchnässt.
    »Nun seht Ihr wirklich aus wie eine Prinzessin, My Lady«, sagte Tom.
    »Eine sehr nasse Prinzessin, fürchte ich. Also, macht euch bereit für unseren großen Auftritt!« Erhobenen Hauptes und mit einem siegesgewissen, wenngleich aufgesetzten Lächeln auf den Lippen ritt Alaida voraus über die Wiesen. Immerhin war sie die künftige Burgherrin. Und sie wurde von einem Adler begleitet, denn wie sie bei einem Blick zum Himmel feststellte, schwebte er noch immer zwischen den Wolken über ihr. Als sie ihn sah, war ihr Lächeln nicht mehr nur gekünstelt, sondern echt.
    Geoffrey hatte ganze Arbeit geleistet. Die Dorfbewohner bereiteten Alaida einen überschwenglichen Empfang. Einige – aber nicht
zu
viele – folgten ihr bis zum Tor, wo sie Ari ihren Geldbeutel reichte, damit er Almosen verteilen konnte. Als sie in den Hof einritt, stand das Gesinde Spalier, allesamt lächelnd und schwatzend wie die Elstern. Aufgeschreckt durch den Trubel, erschienen Lord Robert de Jeune und ein Großteil seiner Gefolgsleute vor dem Haus – genau dort, wo Alaida sie haben wollte.
    »Seid gegrüßt, Lady Alaida«, übertönte Lord Robert den Lärm. Er war ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit feinen, jedoch ein wenig aufgedunsenen Gesichtszügen. Alaida hatte ihn vor Jahren schon einmal auf Bamburgh Castle gesehen, wo sie in Pflege war. Sie hatte ihn als gutaussehend in Erinnerung, aber er hatte seinen Zenit längst überschritten. Er wirkte verbraucht und erschöpft, trotz edler Kleidung und dickberingter Finger. De Jeune wartete, bis der Stallknecht Alaida von ihrem Pferd heruntergeholfen hatte.
    Während ihre Stute in den Stall geführt wurde, sah Alaida sich zu ihrem fröhlich schwatzenden Gesinde um und hob einen Finger. Sogleich kehrte Ruhe ein.
Ausgezeichnet!
    »Eigentlich wäre es an mir gewesen, Euch zu empfangen, Lord Robert«, sagte Alaida und machte einen anmutigen Knicks. »Verzeiht mir, dass weder ich selbst noch mein Gemahl zugegen waren. Hätten wir gewusst, dass Ihr uns beehren wollt …« Sie ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen, um dezent darauf hinzuweisen, dass es wohl angebracht gewesen wäre, einen Boten vorauszuschicken.
    Doch Lord Robert hatte nicht das geringste Interesse daran gehabt, einen Boten zu schicken. Vielmehr war ihm daran gelegen, unangekündigt zu erscheinen, um zu erfahren, ob etwas im Gange war. Nach dem Aufstand im vergangenen Jahr war man den Grenzmarken-Lords gegenüber misstrauisch, selbst den neuen Baronen gegenüber, die sich bislang als loyal erwiesen hatten, so wie ihr Mann. Vermutlich musste man in den kommenden Jahren häufiger mit unangekündigten Besuchen rechnen, auch nach Fertigstellung der Burg – möglicherweise insbesondere dann.
    »Keine Sorge, My Lady. Eure Leute haben mich gebührend empfangen«, sagte Lord Robert.
    »Das höre ich gern. Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet, My Lord. Ich habe eine lange Reise bei kaltem, regnerischem Wetter hinter mir und bin ein wenig erschöpft. Ich werde das Essen auf meinem Zimmer einnehmen. Darf ich Euch Geoffrey vorstellen, unseren Haushofmeister. Er war mit mir auf Reisen. Von nun an wird er sich um Eure Belange kümmern, damit unser Seneschall sich wieder ganz dem Bau der Burg widmen kann, auf deren Fertigstellung der König so ungeduldig wartet. Hadwisa, begleite mich!«
    »Selbstverständlich, My Lady«, sagte Lord Robert und wollte fortfahren: »Ich hoffe …« Seine Worte verhallten ungehört zwischen dem Geplapper der Mägde, die sich um Alaida herumscharten und sie hinauf in ihr Gemach begleiteten.
    Und als Alaida sich am nächsten Morgen auf den Weg in die Kapelle machte, stand eindeutig fest, dass sie sich ihr Reich zurückerobert hatte.

Kapitel 16
    N eville schien weniger lästig, als Alaida befürchtet hatte. Lord Robert und seine Gefolgsleute waren schon seit einer Woche im Haus, und Neville hatte sich ihr nicht ein einziges Mal genähert. Wenn sie ihm zufällig über den Weg lief, hatte er freundlich gegrüßt und weiter nicht mit ihr gesprochen. Wie Geoffrey und Oswald

Weitere Kostenlose Bücher