Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
hatten einerseits Larkin gejagt und andererseits so viele Bomben wie möglich zu finden und zu entschärfen versucht, auch wenn sie sich damit selbst in Lebensgefahr gebracht hatten.
Sechs Jahre lang hatte sie versucht, sich in Palm Beach einzuleben, aber ohne Erfolg - nicht weil die Menschen sie abgelehnt hätten, sondern weil sie sich innerlich dagegen gesträubt hatte. Sie hatte nach einem Platz gesucht, an den sie passte, und das war nicht Palm Beach. Warum hätte sie sonst so oft die Haarfarbe gewechselt? Vielleicht hatte sie unbewusst gehofft, dass sie sich nur oft genug verändern musste, um irgendwann auf die Jenner zu stoßen, die sich in diese Umgebung einfügte.
Das konnte sie vergessen. Sie würde nicht zurückkehren. Jetzt wusste sie, wohin sie gehörte.
Sie sah zu Cael auf und sagte: »Ich will dasselbe tun wie ihr.«
Cael Traylor war nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber sie hatte es geschafft. Seine Brauen zuckten hoch und rutschten dann umso tiefer nach unten. »Was? Das meinst du nicht ernst …«
»O doch.« Sie setzte sich auf und zeigte ihm ihr rußverschmiertes Gesicht. »Ich habe vor einer Weile Judo trainiert. Ich bin nicht besonders gut, aber ich kann das
Training wieder aufnehmen. Und ich bin verdammt gut im Tontaubenschießen, darum dürfte es mir nicht allzu schwer fallen, mich mit anderen Waffen vertraut zu machen. Und was ich sonst noch wissen müsste … das könnte ich alles lernen.«
»Süße, du willst doch nicht wirklich …« Er seufzte. »Ich beschränke mich eigentlich auf Beschattungen.«
Sie deutete auf die dahintreibende Silver Mist . »Beschattungen, wie?«
Caels Blick blieb lange auf dem brennenden Wrack liegen. Irgendwo da drin lag Bridgets Leichnam zwischen denen der anderen Passagiere und Mannschaftsmitglieder.
»Wenn ihr nicht gewesen wärt«, sagte Jenner, »wenn ihr mich und Syd nicht entführt und Larkin nicht beschattet hättet, wären alle diese Menschen jetzt tot. Syd und ich wären tot. Frank Larkin hätte genau das bekommen, was er gewollt hatte.«
Cael konnte sich keine Welt ohne Jenner Redwine vorstellen. Innerhalb weniger Tage war sie ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens geworden.
»Bring mir alles bei«, flüsterte sie.
»Wir werden sehen.«
Seufzend schmiegte sie sich an ihn. »Das reicht mir fürs Erste.« Sie schwieg kurz nachdenklich - oder dösend - und fragte dann: »Hast du ein Boot?«
»Nein.«
»Gut.« Wieder stieß sie einen Seufzer aus, der sich nach tiefer Erleichterung anhörte.
Wenig später hörte er es … das unverkennbare Knattern eines Hubschraubers, wahrscheinlich eines Rettungshubschraubers der Küstenwache, der genau auf sie zuhielt.
Eins musste sie noch klarstellen, und zwar sofort. »Ich
bin echt reich, weißt du?«, gestand Jenner leise. »Kauf-direin-kleines-Land-mäßig reich.«
Er fand die Bemerkung eigenartig. »Ich weiß. Und? Ich brauche kein kleines Land.«
»Manche Männer kommen damit nicht zurecht, das ist alles.«
»Dein Geld interessiert mich nicht«, antwortete er ehrlich. »Außerdem besitze ich genug für uns beide. Du kannst dein Geld weggeben, es verbrennen, es für unsere Kinder sparen …«
Wahrscheinlich war es zu früh, um so etwas zu sagen, aber als er Jenner ansah, lächelte sie. Also war es vielleicht doch nicht zu früh gewesen.
Jenner trug fremde Hosen, die von einem übergroßen Gürtel gehalten wurden und unten aufgekrempelt waren, damit sie nicht auf dem Boden schleiften, und dazu ein übergroßes T-Shirt der Küstenwache. Die Flipflops an ihren Füßen waren schmucklos und ohne Fußbett und obendrein geliehen. Sie hatte seit ungefähr sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen, und ihr Make-up lag irgendwo am Meeresboden - oder schwebte als Asche in der Luft darüber. Sie fühlte sich beschissen, sie sah beschissen aus, aber das schien Cael nicht zu kümmern. Syd kümmerte es jedenfalls nicht.
Ohne sich auch nur umzudrehen, ließ sie ihre drei Bewacher auf der schattigen Veranda stehen, rannte mit einem spitzen Aufschrei los und kam mit langen Schritten über den Bürgersteig auf sie zugelaufen. Jenner fragte sich, ob Cael dieses kleine, weit abgelegene Haus außerhalb der Stadtgrenzen von San Diego als Treffpunkt ausgesucht hatte für den Fall, dass sie und Syd auf die Idee kamen, ihre Kräfte zu bündeln und sich trotz allem, was
sie seit der Rettung von der Silver Mist besprochen hatten, an ihren Entführern zu rächen. Sie würde nichts tun, was als
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