Nachtmahl im Paradies
schien.
»Die Mayonnaise könnte eine wenig … lieblicher sein, findest du nicht?«
Merde! Sie hatte es tatsächlich herausgeschmeckt. Nach dem gestrigen Vorfall in der Küche und wie so oft in den vergangenen Jahren war er beim Kochen nicht ganz bei der Sache gewesen und hatte sich beim Würzen ein wenig verschätzt. Laien bemerkten so etwas in der Regel nicht. Aber sie natürlich schon. Im selben Maße, wie seine Achtung vor Catherine insgeheim stieg, begann er sie wieder zu fürchten. Am Ende würde sie ihn noch komplett umkrempeln.
»Mademoiselle, entschuldigen Sie bitte, aber ich koche nicht erst, seit Ratatouille im Kino ein Hit war«, entgegnete er ein wenig schnippisch auf den durchaus berechtigten Einwand. Er bedachte sie mit einem leicht genervten Kopfschütteln, während er übertrieben genüsslich einen Happen nahm und tat, als wäre alles in bester Ordnung.
»War ja auch nur so eine Idee«, erwiderte Catherine kleinlaut. Sie schien sich dabei ein wenig zu ducken, als erwarte sie, dass er jeden Moment mit dem schweren Kupferschöpflöffel auf sie losging, der in Griffweite von ihnen auf seinen Einsatz wartete – wie auch immer dieser Einsatz aussehen mochte.
»Trotzdem, du musst zurück an die Herd, Jacques. Ohne dich kann das Paris nicht funktionieren.«
So etwas in der Art hatte er sich schon gedacht.
»Du musst wissen: Ich war hier vor ein paar Monate, du warst nicht in die Restaurant, und habe etwas gegessen. Ehrlich: Es war … une catastrophe , wie ihr Franzosen sagt, oder?«
Jacques hatte keinen Schimmer, was er zu seiner Verteidigung hätte vorbringen sollen. Natürlich, er war oft mehrere Abende überhaupt nicht im Restaurant. Nicht selten zog er es vor, die Zeit über dem Restaurant zu verbringen, auf dem Piratenmast, ausgerüstet mit einer guten Flasche Bordeaux, den Blick träumerisch in die Ferne gerichtet.
»Und vor etwa zweieinhalb Jahren ich war hier mit meine Mann. Auch da es war nicht sooo gut … Aber er hat mir erzählt, vor viele Jahre es war einfach superbe ! Dazu diese Lage, diese Ausblick auf die Meer – einfach … exquise . Daraus kann, daraus muss man mehr machen, Jacques!«
»Vielleicht könnte er einfach das Restaurant übernehmen und selbst kochen?«, schlug Jacques vor, eine Prise schnippischer als beabsichtigt, und lenkte das Gespräch so auf den geheimnisvollen Unbekannten. Diesen sagenhaften französischen vegetarischen Koch in New York.
Offenbar war dieser Mann Catherines Achillesferse.
Erneut wurde sie ganz blass um die Nase, wie bereits beim letzten Mal, als das Gespräch auf ihn gekommen war, und schüttelte dann energisch den Kopf.
»Nein, das geht nicht«, widersprach sie. »Leider nicht.« Ihre Gesichtszüge schienen sich von einer Sekunde auf die andere zu verhärten. Jacques konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum – aber irgendwie hatte er das ungute Gefühl, dass er sie wütend gemacht hatte. Dabei war doch eigentlich er es, der hier von ihr mit Vorwürfen überzogen wurde und das Recht hatte, wütend zu sein. Auch wenn die Vorwürfe durchaus berechtigt waren. Musste er deshalb alles klaglos schlucken, während sie bei der kleinsten falschen Bemerkung die Contenance verlor? Typisch Frau, dachte Jacques und war froh, dass Catherine nicht Gedankenlesen konnte. Er hoffte es zumindest.
Catherine schien ihm ganz ähnlich wie so viele Karrierefrauen mit Anfang vierzig, die er kannte. Auch darin unterschieden sich die Amerikaner offenbar nicht sonderlich von den Franzosen: Sie waren Single oder frisch geschieden so wie Catherine vermutlich, in der Regel kinderlos, und ihnen fehlte eine Aufgabe. Also zogen sie – wenn sie über das nötige Kapital verfügten – in ein exotisches Land, in diesem Fall Frankreich, um sich dort noch einmal jung zu fühlen. Wobei er zugeben musste: Catherine war jung – nicht nur verglichen mit ihm, der sich schon seit Jahren wie ein alter, ausrangierter Ackergaul fühlte. Aus ihrem Innern hingegen strahlten eine unbändige Kraft, Wärme und Zuversicht – selbst jetzt noch, wo sie ihn mit den traurigen Augen einer von ihrem Mann verlassenen, ihn insgeheim aber noch immer liebenden Ehefrau anblickte. Jacques fragte sich ernsthaft, ob auch sie genau wie Elli zu jenen Menschen gehörte, die eines Morgens beim Gähnen versehentlich eine Überdosis der ins Schlafzimmer fallenden Sonnenstrahlen verschluckt hatten und sie nun zeitlebens mit sich führten. Denen kein Unglück wirklich etwas anhaben konnte.
Er
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