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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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Ewigkeit.«
    »Mein Engel«, flüsterte er und betrachtete sie, als wäre soeben Botticellis Venus zuerst der Muschel und danach dem Rahmen ihres prachtvollen Gemäldes in der Florentiner Galleria degli Uffizi entsprungen und würde nun in ihrer unverhüllten Schönheit vor ihm stehen. Als wäre sie aus Fleisch und Blut. Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Es war ein Wunder.
    »Du hast es gefunden«, sagte Elli, und ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, während sie auf das rote Büchlein deutete, das aufgeschlagen neben dem bunten Gemüse auf der Arbeitsfläche lag.
    »Ja, ich … wollte gerade etwas daraus kochen.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie. »Deshalb bin ich ja hier.«
    »Weil du mit mir kochen willst?«
    »Weil ich dir helfen möchte.«
    »Dann komm zurück. Oder hol mich zu dir«, flehte Jacques erneut.
    Doch Elli schüttelte nur leise den Kopf, so wie sie es früher oft getan hatte, wenn er irgendwelchen Unsinn von sich gegeben hatte, den sie ihm beim besten Willen nicht abnehmen konnte.
    »Du musst dein Leben weiterleben, Jacques. Was wir miteinander hatten, wird dadurch nicht ausgelöscht. Es bleibt in uns. In dir und mir. Sogar über den Tod hinaus.«
    Jacques’ Verstand erfasste, was sie ihm damit sagen wollte. Aber nun war er es, der den Kopf schüttelte – denn sein Herz verstand es ganz und gar nicht.
    »Darf ich dich berühren?«, fragte er, um dem Thema auszuweichen.
    Da lächelte sie wieder. Ein Lächeln, das er zu gerne erwidert hätte, das ihn jedoch nur noch mehr verunsicherte. Denn er war nicht so dumm zu glauben, dass es möglich war. Auf sanfte Weise würde sie ihm klarmachen müssen, dass dieser Wunsch nicht im Bereich des Erfüllbaren lag. Dass ihr warmer, weicher, lebendiger Körper, dessen Echo er noch heute auf seinen Lippen spürte und auf seinen Fingerkuppen – dass dieser Körper einem Astralkörper gewichen war, den zu berühren ein Mensch nicht imstande war. Dass sich höchstens ihre Seelen würden berühren können. Genau das taten sie in diesem Augenblick. Und wie!
    Es war die reinste Explosion.
    »Du darfst«, sagte sie zu seinem Erstaunen.
    Hatte er richtig gehört? Jacques durchfuhr ein weiterer Schlag. Wenn er jetzt noch nicht tot war, würde er es definitiv bald sein – kein Herz konnte so etwas lange mitmachen, erst recht keines, das am Broken-Heart-Syndrom litt. Er glaubte sich verhört zu haben, aber Ellis einladender Blick signalisierte ihm ihre Erwartung, dass er zu ihr kam. Dass er die Mauer aus Luft und Verwunderung überwand, die sie noch voneinander trennte. Dass er sie berührte.
    »Na, komm schon!«, ermunterte Elli ihn – und das fröhliche Mädchenlächeln, das er so sehr vermisst hatte, umspielte erneut ihren Mund.
    Langsam trat er vor. Seine Beine drohten vor Aufregung einzuknicken. Vorsichtig streckte er die rechte Hand aus. Legte sie behutsam, als wäre Elli ein kleines Vöglein, das man nicht erschrecken durfte, wollte man es nicht davonfliegen sehen, an ihre Wange. Nicht ihre Wange, sondern seine Hand erschrak, aber er zog sie nicht zurück. Er war instinktiv davon ausgegangen, ins Leere zu greifen. Doch dem war nicht so. Was er fühlte, während sie langsam die Augen schloss und den Kopf genussvoll in seine Hand schmiegte, war unbeschreiblich. Elli war zurück in seinem Leben.
    Es war ihre Haut, die er fühlte, es war ihr Hals, den er nur Sekunden später küsste, es waren ihre Lippen, und es war der Duft ihres Haares. Alles war, als wäre es nie von ihm gegangen. Ihm, dem in allen nur denkbaren Nuancen der Sinneserfahrungen bewanderten Koch, fehlten die Worte – sie schmeckte und duftete, wie er es in Erinnerung hatte: nach Walderdbeeren. Das war es, was Jacques durch den Kopf schoss, während er sich schließlich fallen ließ und sie umarmte, um sie nie wieder loszulassen. Da waren sie wieder: Bilder, die ihn durchfluteten – ein Mosaik aus Nahaufnahmen ihres gemeinsamen Lebens, so unzählig wie die Kacheln auf dem Fußboden der Küche. Klack, klack, klack, machte der Fotoapparat, und er war so sehr damit beschäftigt, durch das imaginäre Fotoalbum zu blättern, dass Jacques es zunächst gar nicht bemerkte. Wie sie sich in seinen Händen aufzulösen begann.
    »Nein!«, flehte er und öffnete blitzartig die Augen, die er geschlossen hatte, während er sich auf ihre Lippen hatte sinken lassen, während er abgetaucht war in ihr Haar. »Elli … bitte lass mich nicht allein!«
    Doch alles Flehen half nichts. Es war, wie er befürchtet hatte:

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