Nachtmahl im Paradies
oder – warum nicht? – im Zoo, zwei Nilpferde, die ihre Nasen zärtlich aneinanderrieben.
Auch eine persönliche Note fehlte nicht: Insgesamt drei der Bilder stammten von ihnen selbst. Eines zeigte eine frühe Aufnahme von Jacques und Elli am Strand, ein weiteres Bild einen Schnappschuss von Catherine und Christian im Central Park in Manhattan, und auf dem letzten Foto fanden sich Pferd und Esel wieder. Catherine hatte es selbst geschossen. Die beiden Tiere standen am Gatter in einem Regen aus Gold – das gleißende Licht des Sonnenuntergangs, den Catherine mit ihrer kleinen Digitalkamera eingefangen hatte, als wäre sie neben ihren Karrieren als Anwältin und Restaurantchefin auch noch jahrelang bei Annie Leibovitz in die Lehre gegangen.
Als es schließlich vollbracht war, einen Tag vor der Eröffnung, erkannte Jacques sein eigenes Restaurant nicht wieder. Patrice und Gustave würden staunen. Sie hatten ihm angeboten, bei der Renovierung zu helfen – trotz ihrer vier linken Hände, die sich auf nur zwei Männer verteilten. Doch nicht bloß aufgrund ihrer handwerklichen Defizite hatte Jacques ihnen das Versprechen abgenommen, dem Paris in diesen turbulenten Wochen fernzubleiben. Niemand außer ihm und Catherine sollte das Restaurant zu sehen bekommen, bevor es feierlich in atemberaubender Pracht wiedereröffnet wurde. Das Ganze war geheime Kommandosache. Selbst die rosafarbene Flamingo-Leuchtreklame, an deren nervöses Flackern er sich so sehr gewöhnt hatte, war schlichten gusseisernen Lettern aus rostigem Stahl gewichen, von mächtigen Bodenstrahlern in Szene gesetzt, die ihr weißes und rotes Licht in den Nachthimmel schossen.
Dennoch erkannte er ein anderes Restaurant wieder, das er einmal geführt hatte – auch wenn dieses völlig anders ausgesehen hatte: das Paradies . Er erinnerte sich mit jeder Faser, jeder Zelle seines Körpers: Es war dasselbe Gefühl wie damals, als er und Elli das Paradies zum zweiten Mal eröffnet hatten, nachdem der Sturm die kleine Strandbude weggefegt und für ein richtiges Restaurant Raum geschaffen hatte – in das sie all ihre Hoffnungen steckten und das sie nicht enttäuschen sollte. Genau dieses Gefühl lag nun wieder in der Luft, in diesen noch immer überaus milden Tagen und Abenden des frühen Septembers. Das neue Paris würde seine Pforten zum Ausklang des Sommers öffnen, und er, Jacques, würde seine Premieren in den Herbst hineinkochen und in den Winter – doch in Wahrheit, in Wahrheit war es Frühling.
Er hoffte inständig, dass seine einst viel gepriesene und dann nicht weniger wortgewandt verschmähte Küche das halten konnte, was die neue Verpackung versprach. Die alten, in abgenutzte Lederbände eingebundenen Karten mit den Standardgerichten waren abgelöst worden von einer raumhohen Schiefertafel – mit einer kleinen Anzahl, wie Jacques hoffte, so appetitlichen wie anbetungswürdigen Speisen. Im göttlichen Rhythmus von sieben Tagen sollte die Schiefertafel von nun an mit einem feuchten Lappen gereinigt und mit einem Stück Kreide neu beschrieben werden – mit den Kreationen für die bevorstehende Woche.
Anfangs war ihm dieses Konzept ein wenig schlicht und ungewöhnlich für ein ehemaliges Sterne-Restaurant erschienen, doch schon bald gefiel ihm der Gedanke an die neue Leichtigkeit, die sich auch in den angebotenen Gerichten spiegeln sollte. Im Paris würde man in Zukunft zwar nicht ausschließlich vegetarisch essen, denn dafür war der französische Gourmet von seinem Schöpfer nicht konzipiert worden, aber Jacques hatte sich mit Catherine auf folgende Formel geeinigt: Das Paris war ein vegetarisches Restaurant, in dem man dennoch Fisch und Fleisch auf der Karte finden konnte – wenn es einen danach gelüstete. Man brauchte keine Angst zu haben, deswegen schief angesehen zu werden, aber man hatte nun die Wahl, ob man die Hände lieber von Anfang an in Unschuld waschen wollte. Seinen Kummer darüber konnte man sich ja mit der höchst attraktiven Weinkarte vertreiben, die außer den besten französischen jetzt auch exotische Weine listete. Einige italienische und spanische Weine waren ebenso darunter wie eine Handvoll kalifornische Tropfen, denen Jacques zwar äußerst reserviert gegenüberstand, die aber Catherines geschätzter Meinung zufolge das Paris interessanter machten für ein jüngeres, internationales Publikum.
Das Einzige, was ihm jetzt noch Lampenfieber bescherte, war das große Re-Opening am kommenden Abend. Die gute Nachricht war: Das
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