Nachtmahl im Paradies
auslöste, die den Geräuschpegel hier in seinem – nein, in ihrem ! – Restaurant auf das Level eines Popkonzerts hievte.
Es war ein atemberaubender Abend gewesen. Einer, der in die Geschichte des Paris eingehen würde. Am Ende hatten Patrice und ein paar andere Gäste, die schon ziemlich angeheitert waren, Catherine und ihm sogar noch ein Ständchen gebracht. » Ganz Paris träumt von den Sternen «, hatten sie gesungen – nun ja, es war eher ein Grölen gewesen – in Anlehnung an den berühmten Song von Caterina Valente aus den fünfziger Jahren. Es hätte ewig so weitergehen können.
»Ich kann meine Füße nicht mehr spüren, Jacques. Sie sind taub von die viele Laufen«, informierte ihn Catherine.
Die letzten Gäste – Patrice und Gustave, wie nicht anders anzunehmen – hatten freudentrunken das Lokal verlassen, und nun saßen sie zu zweit an einem Tisch auf der Terrasse. Catherine wirkte müde, aber überglücklich. Kein Wunder: Sie hatten an diesem Abend nicht nur die volle Punktzahl erreicht– sie hatten sogar noch Extrapunkte gesammelt, und wenn sie das nicht alles nur geträumt hatten, sprach sich dieses außergewöhnliche Ereignis sicher rasch in der Gegend herum.
»Hast du Hunger?«, fragte er.
Er war selbst nass geschwitzt und hätte dringend eine Dusche gebrauchen können – doch ein wenig Appetit verspürte er durchaus noch. Wie unter Gastronomen üblich, hatten sie bereits vor dem Ansturm der Gäste ihr Abendessen eingenommen, und das war nun schon ein Weilchen her.
»Oh, danke, nein!«, antwortete Catherine, die ihre Schuhe ausgezogen und die nackten Füße auf den Stuhl neben sich gelegt hatte. »Obwohl … höchstens eine Kleinigkeit. Eine Dessert, wie wäre es damit? Ich habe eine so schöne gesehen, als ich damals die rote Buch durchgeblättert habe.«
Das rote Buch? Jacques hoffte, dass Catherine im Licht der Nacht nicht merkte, dass er blass um die Nase wurde.
Ja, er hatte sich den Nachtisch aufgespart. Obwohl er wusste, dass es nicht richtig war. Dass er loslassen musste. Endlich. Trotzdem hatte er das Büchlein beiseitegelegt in den vergangenen Wochen, während er sich auf diesen Abend vorbereitet hatte. Im Hinterkopf den irgendwie tröstenden Gedanken, dass er noch einen gut hatte. Dass der Tag des endgültigen Abschieds von Elli noch nicht gekommen war – und dass er es war, der darüber bestimmte, ob er überhaupt je kommen würde.
»Ich kann auch etwas anderes machen«, schlug er schnell vor.
»Oh, Jacques, bitte!«, flehte sie. »Die Rezept mit die Schokoladenkuss … Es klang so einfach und trotzdem verführerisch. Genau die perfekte … Krönung? … für eine Sommernacht wie diese, oder?«
Er rang mit sich.
»Oder ist es ein Problem, wegen … du weißt schon … ihr ?«
»Nein«, beruhigte er sie – nicht aber sich. »Es ist kein Problem, absolut nicht.«
»Ich bleibe noch eine Moment hier sitzen, wenn du erlaubst«, verkündete Catherine und ließ den Kopf erschöpft in den Nacken fallen, so dass sie in den von Sternen übersäten Nachthimmel schaute. Sie musste hundemüde sein.
Jacques begab sich in die Küche. Um sich bei den Kellnern und Küchengehilfen zu bedanken und sie in den wohlverdienten Feierabend zu schicken. Und um sich an die Arbeit zu machen – mehr als zehn Minuten würde er nicht brauchen. Nun also war es so weit, zu früh für seinen Geschmack, aber er hatte Catherine die Bitte unmöglich abschlagen können. Wahrscheinlich hatte sie gar nicht darüber nachgedacht, was es für ihn bedeutete. Möglicherweise dachte sie auch, die Sache habe sich erledigt, nachdem er in den vergangenen Wochen kein Wort mehr darüber verloren hatte. Doch nun ließ es sich nicht länger hinauszögern. Das, worum Elli ihn gebeten hatte, würde nun geschehen. Der Augenblick des Abschieds war gekommen.
»Süß lockt mich die Versuchung,
leckt lustvoll meine Lippen.«
MARIE-JOSÉE ROSTAND
PHILOSOPHIN UND TÄNZERIN
Kuss au Chocolat
Man nehme:
100 Gramm dunkle Schokolade, 1 Esslöffel Mokka, 2 Esslöffel Bénédictine Liqueur, 100 Gramm braunen Zucker, 4 Eigelb, 1 Prise Nelkenpfeffer, 300 Milliliter Schlagsahne, 150 Milliliter Wasser
»Verzeih mir, Elli, was ich jetzt tue«, sagte Jacques, während er die Zutaten zusammensuchte. »Eigentlich wollte ich mir das für den richtigen Zeitpunkt aufheben.«
Natürlich wusste er, dass es so etwas wie den richtigen Zeitpunkt im Leben niemals gab. Nach beinahe fünf Jahrzehnten auf der Welt hatte sogar er es
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