Nachtmahl im Paradies
und meinte damit die vollständige Möblierung des Restaurants – sowohl innen als auch auf der Terrasse.
Die Stunde des Abschieds für sein komplettes Interieur, das seit den achtziger Jahren mehr oder weniger wirkungsvoll den Stil des Hauses geprägt hatte, war gekommen. Zunächst empfand er den Begriff Sperrmüll als ein wenig forsch, wenn nicht gar abwertend, aber während das neue Paris entstand, verstand er von Tag zu Tag ein wenig mehr, dass jedes andere Wort fehl am Platze gewesen wäre. Tagelang waren sie mit dem Auto unterwegs, um Inspiration und die richtigen Einzelstücke zu finden – wie bei einem komplizierten Puzzle. Sie klapperten die gesamte Normandie ab, nicht nur Trouville und Deauville, sondern auch Le Havre, Caen, Rouen und auch sonst jedes Städtchen, das mit einem halbwegs interessanten Einrichtungsladen aufwarten konnte.
Zu guter Letzt landeten sie in Paris, um dort durch Bars, Bistros und Restaurants zu ziehen. Durch sündhaft teure Möbelläden, von A wie antik über U wie ultramodern bis Z wie Zen. Um Antiquariate zu durchstöbern und anschließend zu plündern. Um Lichtdesigner zu besuchen. Blumenläden, Schreiner, Waschbeckenausstellungen. Bei einem Goldschmied in Saint Germain entdeckte Jacques eine wunderbare Arbeit und erwarb sie spontan, als Geschenk für Catherine – einen eleganten, aus Weißgoldfäden geflochtenen Stern, den sie nun an einer dünnen braunen Lederkordel um den Hals trug.
»Zumindest du hast jetzt schon mal einen Stern«, sagte er zu ihr, als sie die Kette zum ersten Mal anlegte.
Sie stand ihr hervorragend, so als wäre sie ein Teil von ihr – und auch sie schien es so zu sehen. Es machte ihn glücklich, dass er ein gutes Händchen bewiesen hatte. Normalerweise pflegte er bei den wenigen Anschaffungen seines Lebens, die für Frauen bestimmt gewesen waren – hauptsächlich für eine, um bei der Wahrheit zu bleiben –, in kalten Angstschweiß auszubrechen. Doch diesmal war es kinderleicht gewesen.
»Wenn ich mich richtig ins Zeug lege, habe ich meinen auch bald wieder«, versprach er ihr.
»Für mich ist diese Michelin - Stern nicht so wichtig«, antwortete sie. »Wir wollen Freude haben mit unsere Restaurant, oder? Dann kommt die Stern von allein – und wenn nicht, dann pfff!«
Ihr lässiges Schulterzucken hätte von einer stolzen Französin stammen können. Jacques war beeindruckt.
Was Catherines Arbeit als Innenarchitektin betraf, entsprach sie genau dem, was man den Angehörigen dieser Profession in New York nachsagte: Sie war ausgesprochen kreativ, modern und äußerst geschmackvoll. Sie hatte eine Vision, wie das neue Paris aussehen sollte – nämlich wie eine Mischung aus einem klassisch schlichten Pariser Bistro und einem edlen New Yorker Szenelokal. Mit einer modernen Version der seit Jahrhunderten bekannten Bistrotische und -stühle, Letztere gepolstert mit feinem, dunklem Leder, dazu gestärkte weiße Tischdecken und ein ultramoderner, schlichter leuchtender Blumenstrauß über dem Tisch – in Form von weißen und tiefroten Lampen. Aus den Kelchen, die jenen von Tulpen ähnelten, ergoss sich ein warmes Licht auf die Tische und die daran speisenden Gäste. Jeweils eine weiße und eine rote Tulpe in einer schlanken Vase spiegelten dieses Bild. Abgesehen von dem Weiß und den kräftigen Naturtönen des Holzes – auch den bisherigen grauweißen Fliesenboden ersetzten sie durch kernige dunkelbraune Dielen – gab es nur eine einzige wirkliche Farbe, nämlich ein tiefes Rot, das sich überdies auch in den Stoffbezügen an den Wänden wiederfand und auf den Sonnenschirmen auf der Terrasse.
Catherines Ansatz leuchtete ihm sofort ein: Paris – die Stadt der Liebe. Ihr neues Restaurant sollte dieses Thema auf interessante Art und Weise interpretieren. Sowohl die ineinander verschlungenen weißen und roten Lampen als auch das Blumenduo auf jedem Tisch waren Ausdruck dieser Idee. Doch das mit Abstand Aufwendigste von allem waren die Bilder, die bald zu Hunderten die Wände pflasterten, fast wie in einer italienischen Trattoria: Sie hatten mehr als eine Woche gebraucht, um sie zusammenzustellen. Die meisten waren schwarzweiß, aber es gab auch Farbfotos und sogar Zeichnungen. Alle behandelten sie dasselbe Thema: die Liebe. Sie zeigten Liebespaare, die sich innig küssten, sich umarmten, einander tief in die Augen sahen und so weiter und so fort – auf dem Pont Neuf, am Ufer der Seine, unter Wasser auf den Malediven, auf einem Heuboden auf dem Land
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