Nachtpfade
wollt nach em Jungviech schaun. Se hot Angst ghett, dass dr Zaun hi
isch. Weil vor a paar Däg scho der Fuchs zu de Viecher neikemma isch.«
»Herr Erhard, Sie haben gesagt, Sie hätten die Boote
versteckt. Beim Heiserer?« Gerhard beobachtete ihn genau.
»Na.«
»Was, na?«
»I hob de Schiff ins Schilf neizoga.«
»Sicher nicht zum Heiserer?«
»Na.«
Gerhard wollte ihm immer noch glauben. Aber es waren
zu viele Ungereimtheiten. Zu viele Indizien. Es gab keine andere Wahl. »Herr
Erhard, ich verhafte Sie wegen des Mordes an Jacky Paulig.« Er schickte ein »Es
tut mir leid« hinterher. Evi runzelte die Stirn. Ja, vielleicht hatte ihn das
Gips-Peeling mürbe gemacht, vielleicht war er doch zu angeschlagen.
Erhard nickte nur. »Sogns dr Marianne Bescheid?«
Als der Streifenwagen vom Hof fuhr, kam gerade
Marianne Erhard mit dem Rad und einem Einkaufskorb daher. »Was ist hier los?
Was ist mit meinem Bruder?«
»Frau Erhard, wir haben Ihren Bruder verhaftet. Es
steht eindeutig fest, dass er Jacky mit einem Boot auf den Soiener See gefolgt
ist.«
Marianne Erhards Reaktion war eigenartig, sie war
weder aufgeregt noch hysterisch, reagierte aber auch nicht mit Unverständnis.
Viele Angehörige wollten solche Beschuldigungen erst einmal nicht wahrhaben,
blendeten sie quasi aus. Marianne Erhard reagierte eigentlich gar nicht, und
etwas sagte Gerhard, dass die Nachricht für sie nicht überraschend kam. Es
dauerte, bis sie anhob: »Mein Bruder ist doch kein Mörder.«
»Nun, das behauptet er auch«, meinte Gerhard und
erzählte Marianne jene Version der Geschichte, die Anton zum Besten gegeben
hatte. »Wussten Sie, dass Jacky Ihren Bruder um ihr Bleiberecht hatte erpressen
wollen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wussten Sie, dass der kleine Junge damals gar nicht
auf der Straße, sondern auf Ihrem Hof getötet wurde?«
»Das glaub ich nicht, niemals.«
»Aber Ihr Bruder hat uns genau das erzählt. Und dass
Jacky ihn deswegen erpresst hat.«
»Das kann nicht sein.«
»Frau Erhard, Sie werden später sowieso zu uns kommen
müssen, lassen wir das für den Moment. Was sagen Sie dazu, dass Ihr Bruder
Jacky gar nicht hatte ermorden wollen, sondern vor dem Freitod bewahren?«,
schloss Gerhard. Er hatte Marianne Erhard genau beobachtet, während er all die
Fragen gestellt hatte. Sie wirkte beherrscht, ihr Gesicht war wie eine Maske.
Zu regungslos, wie er fand. Sie ballte aber unentwegt ihre Hände zu Fäusten und
öffnete diese wieder. So als müsste eine ungeheure Energie ein Ventil finden.
»Mein Bruder lügt nicht.« Marianne Erhards Stimme
brach. Man fühlte die Kraftanstrengung.
»Aber Sie, Frau Erhard. Sie haben Ihrem Bruder ein
falsches Alibi gegeben. Warum?«, fragte Evi.
»Das hätten Sie auch getan, wenn hier dauernd die
Polizei auftaucht. Wenn es um Mord geht. Ich hab das eben getan. Sie können
mich ja auch verhaften.« Das klang trotzig.
»Das werden wir momentan nicht tun, aber Sie sollten
sich zu unserer Verfügung halten.«
»Ich hab allein einen Hof am Hals. Wo soll ich
hingehen? Bauern gehen nie irgendwohin. Brauchen Sie mich noch? Ich muss in den
Stall. Jetzt, wo der Toni nicht da ist.«
Weil sie keine Antwort bekam, drehte sie sich weg,
schob ihr Rad über den Hof. Gerhard hatte den Eindruck, als würden ihre
Schultern zucken.
»Und?« Gerhard sah Evi an.
»Ich weiß nicht. Ich muss dich zitieren: Irgendwas
stimmt mit dieser Marianne Erhard nicht. Wir fahren jetzt mal ins Büro.
Vielleicht kriegen wir aus Erhard ja dort mehr raus«. Evi übernahm das Fahren,
und ungefragt hielt sie beim Haslacher an. »Du bist doch sicher im
Unter-Leberkäs, oder? Bring mir einen Kartoffelsalat mit.«
Nachdem Gerhard eine von seinen zwei Leberkässemmeln
verzehrt hatte, sagte er: »Lass uns das mal rekonstruieren: Jacky ist am Ende.
Denk an die Aussage von dem Mädchen auf der Dorfstraße: Friedl hatte den Hund
geprügelt. Kann das der Auslöser gewesen sein? Dieser Trigger. Der Tropfen auf
den heißen Stein. Jacky sieht keinen Ausweg mehr. Sie rudert mit einem Boot auf
den See. Sie hat vor, sich umzubringen. Sie kann nicht schwimmen und wählt als
Todesart das Ertrinken«, sagte Gerhard schließlich.
»Gruselig«, warf Evi ein. »Gruselig, wo Frauen doch
eher zu Tabletten greifen. Sie war PTA ,
gerade sie musste doch über Fachwissen verfügen.«
»Wenn wir aber den Theorien folgen, dass sie wirklich
Buße tun wollte, dass sie sich schuldig gefühlt hat, dass sie ein Opfer war,
dann suchte sie sich so
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