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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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was aus. Was richtig wehtut. Einen Märtyrertod. Oder?«
    »Scheußlich, ganz scheußlich!«
    »Nehmen wir an, Anton Erhard sagt die Wahrheit. Er mag
ein Muhackl sein, aber tief drinnen hat er wohl ein gutes Herz. Zumindest hatte
ich schon ein paarmal den Eindruck. Es tut ihm wirklich leid, dass das Mädchen
so verzweifelt ist. Erstmals wird ihm die Dimension ihres Leids klar. Er hat
sie ja schon gesehen, wie sie gelitten hat bei der Nachtjagd. Als sie ihm von
all ihrer Pein erzählt, sagt er ihr, dass sie bleiben kann. Außerdem hat er ein
schlechtes Gefühl, weil er natürlich sehr wohl gesehen hat, dass sie zu dem Miesbacher
ins Auto gestiegen ist. Er traut dem Miesbacher nicht über den Weg. Also sucht
er Jacky und findet sie am See. Er rudert hinterher und versucht sie davon
abzuhalten, ins Wasser zu springen. Es gibt eine Rangelei, daher die
Abwehrverletzungen und Schürfwunden. Jacky stürzt ins Wasser, und Anton Erhard
sieht sie versinken. Er muss zusehen, wie sie untergeht, machtlos, denn er kann
nicht hinterherspringen. Er kann nämlich nicht schwimmen. Er nimmt sein Boot
und das andere ins Schlepptau und versteckt beide im Schilf. So weit deckt sich
das mit dem Obduktionsbericht. So, und nun frage ich dich: Wenn das stimmt, was
würdest du folgern, Evi?«
    Evi zögerte. »Dass es eine zweite Person gegeben haben
muss. Eine, die Jacky dann wirklich umgebracht hat. Die Boote hat verschwinden
lassen.«
    »Und wem trauen wir das zu? Friedl?«, fragte Gerhard.
    »Zutrauen schon, aber der wird selbst nie tätig. Er
ist viel zu schlau und zu verschlagen«, rief Evi.
    Es entstand eine lange Pause, bis Gerhard leise zu
sprechen begann. »Ich erzähle dir jetzt mal was, Evi. Was, wenn Marianne Erhard
ihrem Bruder gefolgt ist? Wenn sie die Szene auf dem See gesehen hat? Es war
neblig, alles andere als eine helle Mondnacht. Was musste sie denken?«
    Evi trat auf die Bremse und fuhr das Auto vor der
Ammerbrücke in den Weg, wo die Kanuten immer parkten. Sie drehte sich zu
Gerhard hin. »Sie musste denken, dass ihr Bruder gerade dabei war, Jacky zu
ermorden? Meinst du das? Aber warum? Warum traut sie das dem Bruder zu?«
    »Weil sie in der Nacht, als das Kind überfahren wurde,
auch da war. Weil sie ihren Bruder gesehen hat und auch Jacky. Einmal haben
sich Jackys Pfade mit denen von jemand anderem gekreuzt, und es waren einmal
nicht allein Jackys Augen, die das Verbotene gesehen haben. Marianne hat das alles
beobachtet, und deshalb war sie auch stets auf der Hut wegen Jacky. Ich glaube
ihr sogar, dass sie Jacky im Prinzip hätte mögen können, als eine Art Tochter,
die sie selbst nie gehabt hatte. Aber mit diesem Wissen war das natürlich nicht
möglich«, sagte Gerhard immer noch sehr leise.
    »Aber das ist wieder pure Spekulation. Wir haben keine
Spuren«, sagte Evi.
    »Aber wir haben die Aussage von Anton Erhard, dass
seine Schwester bei den Jungviechern gewesen ist. Was, wenn sie am See war und
das als Ausrede benutzt hat? Die Koppel liegt nach Osten, und von dort gibt es
verschwiegene Wege in die Kirmesau. Ihre Aussage mit den Jungviechern ist ja
durchaus plausibel. Und keiner hat sie gesehen.«
    »Pure Hypothese, alles Spekulation«, Evi machte eine
Handbewegung, als wolle sie den Gedanken abwehren.
    »Ja, aber ich glaube fest an meine Theorie. Und im
Gegensatz zu ihrem Bruder kann Marianne schwimmen, aber sie muss gar nicht auf
ihre Schwimmkünste vertrauen, denn Jacky liegt benommen im flachen Wasser. Sie
ist nicht ertrunken, es ist nämlich verdammt schwer, sich selbst zu ertränken.
Der Mensch mobilisiert einen unbändigen Lebenswillen.«
    Gerhard hielt kurz inne. »Und dann passiert das
Grauenvolle: Marianne Erhard sieht die benommene Jacky. Denkt, ihr Bruder hat
gerade einen Mordversuch unternommen. Denkt, dass Jacky zur Polizei gehen wird.
Sie denkt, dass ihr ganzes Leben, das auf so vielen Lügen fußt, in Scherben
liegt«, sagte Gerhard.
    Evi nickte. »Es würde auch schon genügen, wenn Jacky
wieder etwas in der Hand hätte gegen die Erhards. Sie könnte Anton erneut
erpressen. Nach Holzgeschäften und einem toten Kind ist ein Mordversuch ja auch
eine feine Sache für eine Erpressung. Gesetzt den Fall, Marianne wusste die
ganze Zeit, dass ihr Bruder erpresst wird.«
    »Sie wusste es. Da bin ich mir sicher. Diese Frau weiß
viel mehr. So oder so ist das mühsam aufrechterhaltene Leben der Erhards
komplett aus den Fugen. Und Marianne beschließt, das zu beenden, was der Bruder
begonnen hat. Sie drückt

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