Nachtprinzessin
und Pfefferstreuer zurecht, während sie wartete, und es wirkte eine Spur kokett, aber gleichzeitig auch verlegen.
»Danke, Rosa«, antwortete Minetti. »Im Moment nicht. Später vielleicht.«
Neri sagte nichts. Er sah sie nur an, wusste nicht, ob er nicken oder den Kopf schütteln sollte. So verwirrt war er.
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Neri saß bereits drei Stunden am Schreibtisch, als Minetti um kurz vor zwölf angeschlendert kam und eher wie beiläufig im Büro vorbeischaute.
»Guten Morgen, junger Freund!«, tönte er bestens gelaunt. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen, und der Wein war nicht zu schwer?«
»Nein, er war wunderbar. Und vielen Dank noch mal.«
»Niente. Ich sehe, Sie arbeiten sich ein?«
Neri nickte.
»Oddio! Meinen Sie nicht, dass das ein bisschen übertrieben ist? Ich meine, was sind drei Wochen Urlaubsvertretung? Nichts! Und dann sind Sie wieder weg, und die ganze Mühe war umsonst!« Minetti schlug Neri jovial auf die Schulter. »Genießen Sie doch die Zeit, und kümmern Sie sich um die aktuellen Dinge, aber um Gottes willen nicht um diese alten Kamellen!«
Neri überhörte die Bemerkung. »Ich habe mir so ziemlich alles durchgelesen, was in den letzten Wochen passiert ist und was ich über die beiden verunglückten Jungs finden konnte. Sehr viel ist es nicht …«
Minettis Miene verfinsterte sich. Der gute Mann war einfach unbelehrbar und absolut beratungsresistent. »Natürlich nicht!«, brummte er. »Was soll man auch herausfinden über einen Vorfall, den niemand beobachtet hat, und beide Zeugen sind mausetot. Es gibt Geheimnisse auf der Welt, die werden Geheimnisse bleiben.«
»Ich bin hier dennoch auf eine interessante Sache ge stoßen.«
»So?« Minetti zog eine Augenbraue hoch, setzte sich breitbeinig auf einen Stuhl und sah Neri an, als erwartete er jetzt den allergrößten Schwachsinn.
»Ja. Hier in den Akten steht in einem Bericht, dass am Tatort, also ich meine an dem Ort, von dem aus die beiden abgestürzt sind, Münzen gefunden wurden. Ziemlich viele. Fünf-, Zehn-, Zwanzig-, Fünfzig-Cent-Stücke, auch einige Euro. Alle mit Sand verschmutzt und verklebt, da sie eingespeichelt waren. Und von dem Speichel gibt es eine bereits festgestellte DNA .«
»So ist das.«
»Aber das ist doch hochinteressant!«
»Wieso ist das hochinteressant? Ich kann da nichts Aufregendes entdecken.« Minetti schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück, um seine Überlegenheit zu demonstrieren.
»Die DNA ist – wie eindeutig festgestellt wurde – nicht von den beiden Opfern. Also von einem Dritten. Also war noch jemand auf den Klippen, als es passiert ist.« Neri kam sich vor wie in der Schule, wenn es darum ging, mit Halbwissen zu punkten.
»Sicher war noch jemand auf den Klippen!«, schnauzte Minetti. »Jeden Tag ist irgendjemand auf den Klippen. Aber wann, wissen die Götter. Am Tag, als es passiert ist, oder drei Tage vorher oder einen Tag später oder drei Wochen vorher? Alles möglich. Und es kann jeder verdammte Inselbewohner gewesen sein und auch jeder Tourist. Ein Japaner oder ein Chinese, ein Deutscher, ein Franzose oder ein Eskimo. Oder der Heilige Geist höchstpersönlich. Jedenfalls ein Spinner, der es witzig fand, Münzen anzulutschen und auszuspucken und sie dann für die Nachwelt als kleine Spende im Dreck liegen zu lassen. Vielleicht haben auch ein paar Kinder Weitspucken gemacht. Allerdings kann ich mir kaum erklären, warum sie das Geld liegen lassen und sich dafür nicht lieber ein Eis kauft haben.«
»Das ergibt doch alles keinen Sinn!«
»Eben!«
»Aber da man sich das alles nicht auf normale, logische Weise erklären kann, muss es irgendwie mit dem Fall zu tun haben. Irgendjemand hat die Münzen ausgespuckt, hatte aber keine Zeit mehr, sie wieder einzusammeln.«
Langsam ging die Diskussion Minetti auf die Nerven. »Unsere beiden Opfer hatten sicher keine Zeit mehr, als sie den Abflug gemacht haben. Aber leider ist ja nun mal die DNA nicht von ihnen.«
»Vielleicht sind sie ja doch von den Klippen gestoßen worden!«
»Und der Mörder hat anschließend noch ein bisschen Münzen gelutscht und ausgespuckt, um der Polizei eine leckere Spur zu hinterlassen, ja? Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Signor Neri, und ich hatte eigentlich gedacht, ich könnte mir bei Ihnen solche Ansprachen sparen, was wollen Sie denn tun? Einen DNA -Test bei sämtlichen Inselbewohnern erzwingen, die darüber alle natürlich stinksauer sind? Und selbst wenn Sie einen Fischer finden, der in
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