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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nachkam, würde sie wochenlang kein Wort mit ihm sprechen, da sie wusste, dass er das am allerwenigsten ertragen konnte.
    »Sicher«, meinte er dumpf und fürchtete sich vor dem, was jetzt kommen würde.
    »In acht Tagen, genauer gesagt am vierundzwanzigsten Juni, ist das jährliche Sommerfest auf Burg Lunden. Ich würde mich freuen, wenn du mich als mein Tischherr begleiten könntest. Übrigens habe ich für uns beide bereits zugesagt.« Sie lächelte.
    Aha. Es war ein Scherz gewesen. Sie hatte es mal wieder furchtbar spannend gemacht und versucht ihn aufs Glatteis zu führen, denn im Grunde wusste sie ganz genau, dass er gern mitkam und sich dieses Fest nach Möglichkeit nicht entgehen ließ.
    »Kein Problem, natürlich komme ich mit«, murmelte er erfreut. »Ist doch selbstverständlich. Aber ich brauche einen Smoking.«
    »Wenn du willst, gehen wir morgen los und kaufen dir einen.« Henriette war zufrieden, und bevor sie aus dem Zimmer ging, küsste sie ihn schweigend auf die Stirn.
    Acht Tage waren nicht viel, aber die Zeit reichte Matthias, um einen weinroten Mercedes 300 E anzumieten. Sein nagelneuer Smoking saß perfekt, und dann ließ er es sich nicht nehmen, das Abendkleid seiner Mutter zu kontrollieren. Er war zufrieden und fand sie wunderschön.
    Gut eine Woche später fuhren sie im weinroten Mercedes auf Burg Lunden vor. Zwar besaß Matthias erst seit sieben Monaten einen Führerschein, aber er verzichtete darauf, einen Chauffeur zu organisieren, und lenkte den teuren Wagen selbst.
    Matthias fühlte heftigen Stolz, als er versuchte, so schnell, mühelos und elegant wie möglich aus dem Auto auszusteigen, um seiner Mutter, die auf dem Rücksitz rechts saß, die Tür zu öffnen.
    In diesem Moment hielt direkt hinter ihnen ein beigefarbener Bentley, und zwei junge Männer sprangen heraus. Der eine hatte sich sein blondes Haar mithilfe von Pomade streng nach hinten gekämmt, der andere war wesentlich rundlicher als sein Bruder und trug sein Haar millimeterkurz, sodass es fast wie eine Glatze wirkte.
    »Matthias, alte Keule!«, brüllte der Blonde und winkte Matthias, der nur wenige Meter vor ihm stand, übertrieben zu. »Gibt’s dich auch noch! Wie geht’s denn so?«
    Dem lauten, verbalen Überfall stand Matthias völlig hilflos gegenüber und sagte vor Schreck gar nichts.
    »Kannst du mir vielleicht mal mit dem Gepäck helfen? Ich hab die Hände voll!«
    Matthias nickte stumm und hob dessen Koffer aus einem Kofferraum, der sich automatisch geöffnet hatte. Inzwischen nahm Michael von Dornwald, der darauf Wert legte, mit »Meikel« angesprochen zu werden, einen Blumenstrauß für die Gastgeberin vom Rücksitz und sprang leichtfüßig die Freitreppe zum Hauptportal hinauf.
    Die Erniedrigung war regelrecht schmerzhaft. Michael hatte ihn wie einen Lakaien behandelt, und er hatte es sich gefallen lassen. Hatte vollkommen automatisch reagiert und funktioniert. Ihm war speiübel.
    »Was ist?«, fragte Henriette, als sie aus dem Wagen stieg und ihren Sohn seltsam unschlüssig dastehen sah, aber Matthias antwortete ihr nicht. Ebenso wenig begrüßte er Ingeborg von Dornwald und deren Tochter Thilda, die jetzt auch aus dem Bentley ausgestiegen waren und Henriette nur flüchtig zunickten.
    Er sah und hörte nichts um sich herum, war paralysiert vor Wut und brauchte fast eine halbe Minute, bis er in der Lage war, seiner Mutter ins Haus zu folgen.
    Fast immer hatten sie um Siebenschläfer herum Glück mit dem Wetter. Und auch dieses Mal waren die Nächte warm und trocken, das abendliche Buffet wurde im Garten aufgebaut, winzige schmiedeeiserne Laternen leuchteten in den Bäumen, und die Frauen trugen ärmellose Kleider. Eine leichte Stola genügte, um nicht zu frieren.
    Matthias’ Mutter hatte sich extra zu diesem Anlass ein fliederfarbenes Abendkleid gekauft. Auf ihrem Dekolleté glitzerte ein Collier, das ihr ihr Mann Linus zum fünften Hochzeitstag geschenkt hatte. Nur sechs Monate bevor er gestorben war. Sie hütete diesen Schmuck wie einen Schatz, und Matthias wusste, dass sie ihn nie verkaufen würde, auch nicht in der größten finanziellen Not. Nur einmal im Jahr legte sie ihn an, zu eben diesem Sommerfest auf Burg Lunden. Ihre Haare waren kürzer als im vergangenen Jahr, sie hatte ein paar Kilo abgenommen, und ihre Augen leuchteten. Für Matthias sah sie nicht aus wie eine Frau, die in wenigen Wochen fünfundfünfzig wurde, sondern wie eine Enddreißigerin in der Blüte ihrer Jahre.
    Beim Streichquartett von

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