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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Düne und hielt Ausschau nach einem eventuell vorbeifahrenden Schiff, das sie Schiffbrüchige retten könnte.
    Aber er sah kein Schiff, sondern zwei Männer.
    Und einer von ihnen war sein Vater.
    Ging er also gar nicht allein spazieren. Er hatte gelogen, als er gesagt hatte, er wolle allein sein. Alex’ Herz zog sich zusammen, er hatte gar keine Zeit mehr, Will Bescheid zu sagen, und schlich den Männern hinterher. Im weichen Sand waren seine Schritte lautlos, es gab keine Zweige, die knackten, kein Laub, das raschelte, und alle paar Meter duckte er sich vorsichtshalber in Vertiefungen hinter dem Strandhafer.
    Keiner der beiden entdeckte ihn oder ahnte auch nur, verfolgt zu werden.
    Sie gingen nebeneinander her und unterhielten sich, waren aber zu weit entfernt, als dass Alex irgendetwas hätte verstehen können. Der andere Mann war jünger als sein Vater, ein wenig größer und auch ein bisschen schlanker. Er hatte dunkles, gewelltes Haar, trug eine lange beigefarbene Leinenhose und ein blaues T-Shirt, Papa hatte seine Shorts an, die er immer trug, wenn sie an den Strand gingen, und ein weißes Polohemd.
    Sie gingen hintereinander eine Düne hinunter, Matthias voran. Plötzlich stolperte der Jüngere, Matthias fing ihn auf, sodass er nicht fiel. Dadurch hielten sie sich in den Armen und sahen sich in die Augen.
    Alex wagte kaum zu atmen.
    Der Jüngere zog seinen Vater fester an sich, legte seine Hand auf Matthias’ Hintern und drückte so den ganzen Unterkörper gegen sich. Dann küssten sie sich. Lange und von Sekunde zu Sekunde wilder.
    Alex hatte so etwas zwar schon etliche Male im Fernsehen und in Zeitschriften gesehen, aber noch nie in der Wirklichkeit. Und noch nie mit zwei Männern. Und schon gar nicht mit seinem Vater.
    Ihm wurde übel, dennoch hörte er nicht auf, zu beobachten, was weiter geschah.
    Sie küssten sich ununterbrochen, ihre Hände wanderten über den Körper des anderen, und schließlich sanken sie gemeinsam in den Sand. Mit hektischen Bewegungen zogen sie sich gegenseitig aus.
    Alex wusste ganz genau, was das bedeutete. Er hielt es nicht mehr aus, glaubte in diesem Moment sterben zu müssen. Es war alles vorbei, sein ganzes Leben war zerstört. Er hatte den Glauben an seinen Vater und somit auch an sich verloren. Er hasste ihn! Er hasste ihn in diesem Moment so abgrundtief, mit der ganzen Kraft seiner kindlichen Seele, dass er am liebsten geschrien hätte. Sein Vater war ein Lügner und ein Verräter. Diesen Mann da vorn, der jetzt mit einem anderen nackt in den Dünen lag und ihn liebkoste, kannte er nicht, wollte er auch nicht kennen.
    Er begann sich so sehr zu ekeln, dass er sich übergeben musste, und dann drehte er sich um und kroch davon.
    Die Tränen liefen ihm übers Gesicht, und er wusste nicht mehr, was er machen sollte. Hatte panische Angst, seinem Vater am Abend zu begegnen, und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihn niemals wiederzusehen.
    Auf dem halben Weg zurück zu ihrer provisorischen Hütte kam ihm Will entgegen.
    Eigentlich war Will stinksauer, dass Alex einfach so verschwunden war, ohne ihm etwas zu sagen, aber als er ihn dann heulend ankommen sah, wie ein Häufchen Elend, erschrak er so, dass seine Wut augenblicklich verflogen war.
    »Was ist passiert?«, schrie Will. Er ließ sich vor Alex in den Sand fallen und wollte ihn in die Arme nehmen, aber Alex stieß ihn zurück.
    »Nichts. Gar nichts. Es ist alles klar.«
    »Aber du heulst?«
    Alex wischte sich mit dem Arm über die Augen und schniefte laut. »Ich wollte noch mehr Holz holen, bin hingeknallt und hab mir scheißwehgetan.«
    »Wo denn?« Will sah auf Alex’ Knie.
    »War der Knöchel. Sieht man nicht, ist auch schon wieder besser.« Alex versuchte ein gequältes Lächeln.
    »Machen wir weiter?«, fragte Will.
    Alex schüttelte den Kopf. »Nee. Ich will zurück ins Hotel.«
    Alex legte sich ins Bett und weigerte sich, zum Abendessen zu kommen.
    »Was hast du denn bloß, mein Spatz?«, fragte Thilda besorgt und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Ist dir übel?«
    Alex nickte.
    »Hast du Kopfschmerzen?«
    Alex nickte.
    »Tut dir was weh?«
    »Alles«, flüsterte Alex.
    Thilda kramte ein uraltes Fieberthermometer aus ihrem Kulturbeutel, das sie schon ewig nicht mehr benutzt hatte, und klemmte es Alex unter die Achsel.
    »Schön festhalten, ja? Zehn Minuten.«
    Alex nickte erneut und legte sich auf den Arm, unter dem das Thermometer steckte. In seinem Kopf drehte sich alles. Die Bilder vom Strand waren wie

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