Nachtprinzessin
zwei Besichtigungen. Ich zahle also summa summarum drei Millionen und keinen Cent mehr. Wenn Sie damit einverstanden sind, kommen wir ins Geschäft, sonst nicht.«
Matthias stöhnte innerlich. Also nur hundert- und nicht zweihunderttausend. Wieder mal das alte Lied. Die Kunden zogen dreist die Maklerprovision vom Kaufpreis ab, und er musste dann sehen, wie er mit dem Verkäufer zurande kam. Insofern war der Verkauf des Hauses noch lange nicht perfekt.
»Ich werde mit dem Verkäufer sprechen und sehen, was ich tun kann.«
»Was denken Sie? Kriegen Sie das hin?«
»Ich hoffe. Für meinen Teil bin ich zu Zugeständnissen bereit, aber ob der Verkäufer das auch ist, steht in den Sternen. Ich hatte Ihnen ja schon angedeutet, dass er nicht verhandlungswillig ist.«
»Sicher. Aber ich denke mal, es kommt auch nicht jede Woche ein neuer Kunde vorbei und blättert drei Millionen auf den Tisch. Das ist ’ne Stange Geld. Vielleicht überlegt sich der Verkäufer, dass es unter Umständen lukrativer ist, die etwas geringere Summe sofort in der Hand zu haben. Die Zinsen sind ja auch nicht zu verachten. Und an dem altbewährten Spruch ›Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach‹ ist durchaus was dran, finde ich.«
Alter Fuchs, dachte Matthias, und laut sagte er: »Das ist ein Argument. Ich bin gespannt, wie er reagiert.«
Die Vorspeise wurde serviert.
Matthias konnte sich an Bastian nicht sattsehen. Aber es war schwierig, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihn im Moment nichts so sehr interessierte, wie dieser schöne junge Mann. Noch nie im Leben hatte er bei einem Jungen so dichte Wimpern und so strahlend blaue Augen gesehen.
Irgendwann, dachte Matthias, irgendwann rudern wir beide hinaus auf den See. Bei Sonnenuntergang. Nur wir zwei. Und dann werde ich in der Tiefe deiner Augen ertrinken.
22
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Matthias war mit seinen Nerven völlig am Ende. Jeden Tag telefonierte er etliche Male mit dem Verkäufer der Wannseevilla, der sich bockig stellte. Dennoch lehnte er den Handel nicht grundsätzlich ab, und Matthias spürte, dass er nur bluffte. Er wollte nicht zugeben, dass ihm eigentlich das Wasser bis zum Hals stand.
Matthias blieb hartnäckig und war gleichzeitig freundlich. Es kostete ihn ungeheure Energie, und die Angst, dass dieses Geschäft vielleicht doch noch an einem alten, halsstarrigen Sturkopf scheitern könnte, machte ihn ganz verrückt.
Zehn Tage lang maßen die beiden ihre Kräfte und kämpften den Kampf, der dem Gewinner Reichtum und dem Verlierer eventuell einen Herzinfarkt bescherte, aber schließlich gelang es Matthias, die Bedingungen von Dr. Hersfeld durchzuboxen – der Verkauf war perfekt. Alles Weitere konnten Viola und Gernot erledigen, seine Arbeit war getan.
Samstagabend um kurz vor acht rief er Alex an.
»Hast du Lust, mit mir essen zu gehen?«
Es dauerte fast beleidigend lange, bis Alex antwortete. »Meinetwegen. Ich hab einen Scheißkohldampf.«
»Okay. Ich hol dich ab. Sagen wir in einer Viertelstunde?«
»Zwanzig Minuten.«
»Gut, dann eben in zwanzig Minuten.« Er legte auf. Ein bisschen ärgerte es ihn schon wieder. So war Alex eben, so war er immer gewesen. Nie konnte er etwas bedingungslos akzeptieren, einfach mal kommentarlos hinnehmen, immer musste er es ein wenig ändern, um Sieger zu sein. Er wollte die Musik spielen, nach seinem Willen musste alles geschehen. Auch wenn es nur so eine lächerliche Lappalie wie die war, ob sie sich nun in fünfzehn oder in zwanzig Minuten trafen.
Matthias seufzte und rief das Rautmann’s an, um einen Tisch zu bestellen.
Punkt zwanzig Minuten später wartete er mit laufendem Motor vor dem Loft. Und es geschah wahrhaftig, was er schon vermutet hatte: Er stand da wie dumm, und wer durch Abwesenheit glänzte, war Alex. Nach fünf Minuten überlegte er zum ersten Mal, ob er einfach fahren und allein essen gehen sollte, nach sieben Minuten zum zweiten Mal, und als er nach zehn Minuten den Gang einlegte, um loszufahren, kam Alex gerade aus dem Haus gehumpelt. Er grinste breit, und es sah merkwürdig aus. Irgendeine Winzigkeit hatte der Zahnarzt verändert, es war nicht mehr das Lächeln wie zu der Zeit, als ihm noch niemand die Zähne ausgeschlagen hatte.
»Hallo«, sagte Alex und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. »Hat ein bisschen gedauert. Gerade als ich gehen wollte, kam noch ein Anruf.«
»Ich weiß. So ist es ja immer.« Matthias konnte den bitteren, vorwurfsvollen Ton nicht verhindern.
»Willst du mit mir essen
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