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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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auch immer geschah: Sein Vater würde zu ihm halten, ihm helfen und ihn aus jeder noch so brenzligen Situation retten. Durch ihn fühlte er sich sicher und stark.
    Am zehnten Urlaubstag fasste sich Alex ein Herz, nachdem Matthias ihm den Gutenachtkuss auf die Stirn gedrückt hatte, und sagte den Satz, der ihm bisher noch nie über die Lippen gekommen war, auch nicht bei seiner Mutter.
    »Papa, ich hab dich unglaublich lieb«, flüsterte er und musste beinah selbst weinen, weil sein Herz in diesem Moment dabei war, überzuschäumen.
    »Oh, mein Gott, Alex, Schatz …« Matthias zog ihn aus dem Bett hoch und nahm ihn ganz fest in den Arm. Dabei schmiegte sich Alex an seine Schulter, als wollte er in ihn hineinkriechen und mit ihm verschmelzen.
    »Ich dich doch auch! Ich auch! Mehr, als ich es dir jemals sagen kann. Du bist das größte Glück, das mir je widerfahren ist, und ich sehe jeden Tag, dass ich den wundervollsten Sohn unter der Sonne habe.«
    Jetzt liefen Alex die Tränen übers Gesicht.
    Minutenlang saßen Vater und Sohn in inniger Umarmung da, keiner der beiden wagte sich zu bewegen, um diesen unendlich kostbaren Moment nicht zu zerstören.
    Schließlich stand Matthias auf, ging leise zur Tür und hauchte das gefühlvollste Gute Nacht, das er jemals ausgesprochen hatte.
    Am fünfzehnten Urlaubstag tauchte plötzlich Will auf. Alex saß in seiner Sandburg, die mit Wehrtürmen, Tunneln, überdachten Gängen und in die Burgmauer eingebauten Häusern so kompliziert war, dass der Bau mehrere Tage in Anspruch genommen hatte, und sah zuerst Wills kurze, stämmige Beine, auf denen rotblonde Härchen wuchsen, fast wie bei einem richtigen Fell.
    »Kann ich mitmachen?«, fragte Will und stemmte die Hände in die Hüften.
    »Nö«, antwortete Alex und schob seinen Arm bis zur Schulter in eine unterirdische Katakombe.
    Matthias stand auf und klopfte sich den Sand von den Shorts. »Was ist denn los mit dir, Alex?«, fragte er und lächelte den fremden Jungen an. »Warum soll er nicht mitmachen? Wir können jeden gebrauchen, der bei dieser gewaltigen Burg helfen kann.«
    Der Junge strahlte und nahm begeistert die Schippe, die Matthias ihm reichte. Alex zuckte nur die Achseln. Nun gut. Er hätte zwar gern allein mit seinem Vater weitergebaut, aber wenn er einen Spielkameraden hatte, war das vielleicht auch nicht schlecht. Zumal die Nachmittage furchtbar langweilig waren, wenn sein Vater spazieren ging und sich seine Mutter durch die dicken Bücher fraß.
    Will hatte das rötlich blonde Fell am ganzen Körper, im Gesicht dazu Millionen von Sommersprossen und auf dem Kopf widerspenstiges rotes Haar, das in alle Himmelsrichtungen abstand. Er sah aus wie eine Figur aus einem Kinderbuch von Astrid Lindgren, und Alex konnte sich lebhaft vorstellen, dass er seinen Kopf wie Michel in eine Suppenschüssel steckte und nicht mehr herausbekam.
    Will hieß eigentlich Wilhelm, fand seinen Namen aber abscheulich, langweilig und unerträglich altmodisch und bestand daher darauf, von allen nur Will genannt zu werden.
    Es dauerte keine zwei Stunden, und Alex konnte sich gar nicht mehr vorstellen, wie sie jemals ohne Will gebuddelt hatten. Er war so ernsthaft bei der Sache und gab sich so große Mühe, dass es sowohl Alex als auch Matthias Spaß machte, den kleinen Jungen in ihr Spiel zu integrieren.
    Wills Eltern wohnten im selben Hotel wie die Steinfelds, und kurz vor dem Mittagessen kamen sie, um Will abzuholen. Sie begrüßten Matthias und Thilda per Handschlag, unterhielten sich zehn Minuten und zogen dann los. Will versprach, nach dem Essen wiederzukommen.
    Von da an waren die beiden Jungen unzertrennlich. Thilda erlaubte nicht, dass Alex allein und unbeaufsichtigt ins Wasser ging, da er einen zarten Körperbau hatte und kein guter, vor allem kein ausdauernder Schwimmer war, aber sonst durften sie nach Herzenslust am Strand und in den Dünen herumtoben und waren deshalb oft stundenlang verschwunden. Sogar abends spielten sie noch im hoteleigenen Park, während Thilda und Matthias mit Wills Eltern zusammensaßen und Cocktails tranken.
    Es passierte vier Tage später.
    Alex und Will spielten Robinson Crusoe, verschollen auf einer einsamen Insel. Sie hatten einen Dünenabschnitt entdeckt, in den sich normalerweise keine Touristen verirrten, und angeschwemmtes Holz dorthingeschleppt, um sich eine Hütte zu bauen. Während sich Will bemühte, irgendwie ein einigermaßen stabiles Dach hinzubekommen, stand Alex auf dem höchsten Punkt der

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