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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Straßenrand wartete er weitere vier Stunden, bis er sich schließlich um drei Uhr nachts nach Giglio Porto traute, wo er an einer extrem steilen Stelle kurz vor Ortseingang einen Parkplatz bekam.
    Mehr torkelnd als laufend erreichte er sein Appartement und konnte sich nicht erinnern, irgendeinem Menschen begegnet zu sein. Er sah und hörte nichts mehr, der Durst trieb ihn fast in den Wahnsinn. In seinem Zimmer trank er gierig, so viel er konnte, bis ihm übel wurde. Dann fiel er ins Bett. Hilflos, vollkommen am Ende.
    Aber er hatte es geschafft.
    Alles war gut. Zwei tote Jungen waren von Klippen aufgespießt worden oder trieben im Meer, aber das war jetzt nicht wirklich das, was ihn interessierte.
    Adriano und sein nervtötender Ragazzo würden nie wieder auftauchen. So viel war klar. Da brauchte er das Restaurant nicht länger zu beobachten. Das Leben im Hafen erschien friedlich. Vielleicht hatte wahr haftig noch niemand die beiden Toten gefunden?
    Nachdem er sich genügend regeneriert, sorgfältig frisiert und geschminkt hatte, verließ er kurz vor zwanzig Uhr seine Wohnung. Sein Gesicht war noch verschwollen, aber er hoffte, das mit seiner eleganten, sportlichen Kleidung wettzumachen. Er sah aus wie ein Tourist auf dem Weg zum abendlichen Essen, betrat das bekannte Lokal und wurde vom Wirt herzlich begrüßt. Automatisch bekam er den Tisch, den er auch zwei Tage zuvor schon gehabt hatte, den mit dem atemberaubenden Blick auf den Hafen.
    Er wählte schnell. Eine Flasche Rosso di Montepulciano, Mineralwasser, Carpaccio vom Schwertfisch als Vorspeise und dann als Hauptgericht eine gegrillte Dorade. Dazu einen kleinen gemischten Salat. Am liebsten hätte er als Vorspeise eine herzhafte Bruschetta gegessen, aber mit seinem geschwollenen Kiefer war das Kauen des knusprigen, harten Weißbrotes unmöglich.
    Das Lokal füllte sich. Der Chef war im Stress. Wie ein Irrer rannte er hin und her, nahm Bestellungen auf, brachte die Vorspeisen an die Tische, servierte Getränke, es war nicht mit anzusehen.
    »Was ist los?«, fragte Matthias, als der Chef ihm Wein und Wasser auf den Tisch knallte. »Wo ist Ihr schöner, junger Kellner, der mich immer so angenehm bedient hat?«
    »Weg!«, schnauzte der Chef. »Hat sich mit seinem Lover verdünnisiert. Ist mit diesem kleinen Stricher durchgebrannt, und ich sitze hier auf dem Trocknen. Ich sage Ihnen, wenn der wiederkommt, kann er was erleben. Mich hier in der Hauptsaison hängen zu lassen, nur weil er wahrscheinlich wieder um die Häuser gezogen und versackt ist!«
    Damit pfefferte der Chef noch eine Stoffserviette auf den Tisch und rannte weiter.
    Matthias lächelte.
    Sie hatten die Leichen also noch nicht gefunden. Und da nicht eine Person allein, sondern ein Pärchen zusammen verschwunden war, ging niemand ernsthaft davon aus, dass etwas passiert war. Wahrscheinlicher war, dass die beiden sich zusammen aus dem Staub gemacht hatten.
    Er lehnte sich zurück und entspannte sich.

36
    36
    Am nächsten Morgen war alles anders als sonst.
    Matthias erwachte von der Unruhe, die vom Hafen ausging und bis hinauf in sein Zimmer drang. Es war kaum merklich, eigentlich nur ein ungutes Gefühl, das ihn zwang, aufzustehen und auf den Balkon zu gehen.
    Minutenlang stand er dort und überlegte, was los war.
    Eine gewisse Nervosität und Gereiztheit lag in der Luft. Wie ein Wispern, das einem der Wind entgegenwehte, und dann erschienen die Stimmen im Hafen ein wenig hektischer und lauter als sonst. Die Einwohner Giglios dösten nicht etwa auf der steinernen Bank der Mole, sondern diskutierten. Wildfremde Menschen redeten miteinander, der Brötchenkauf dauerte dreimal so lange wie gewöhnlich.
    Ohne Zähne zu putzen oder ein paar Schlucke seines Wassers zu nehmen, ging Matthias hinunter in die Bar, um einen Kaffee zu trinken.
    Und dort erfuhr er sofort und brühwarm die unterschwellige Aufregung: Am Strand von Campese war in der Nacht die Leiche eines jungen Mannes, eigentlich eines Jungen, eines Ragazzos, angeschwemmt worden. Ob es sich um den seit zwei Tagen vermissten Fabrizio handelte, der mit seinem ebenfalls vermissten Freund Adriano unterwegs gewesen war, wurde noch überprüft.
    Aber Giglio brauchte keinen DNA -Test, auf der Insel wussten instinktiv alle, dass es Fabrizio war, und seine Mutter weinte seit den frühen Morgenstunden.
    »Mein Gott, wie furchtbar!«, sagte Matthias zum Inhaber der Bar und verschüttete fast seinen Espresso. »Man ist seines Lebens wirklich nirgends mehr

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