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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sicher. Selbst hier auf dieser zauberhaften kleinen Insel nicht.«
    »So etwas ist hier auch noch nie vorgekommen!« Der Barmann knallte die Espressotässchen ineinander, als müsste er seine Wut abreagieren. »Das ist eine Schande. Giglio war immer wie ein weißer Fleck im Mittelmeer. Niemand hat sich für uns interessiert, selbst die Touristen kamen spärlich. Aber jetzt werden wir in aller Munde sein. Das Fernsehen wird über uns berichten, weil hier ein halbes Kind zu Tode gekommen ist. Auf einmal sind wir die Insel, auf der man nicht mehr sicher ist, so wie Sie ja selbst sagen. Touristen werden kommen, um die Stelle am Strand anzustarren, wo er angeschwemmt wurde. Ich sag Ihnen was, das sich irgendwie blöd anhört, aber es stimmt: Giglio hat seine Unschuld verloren!«
    Er presste die Lippen zusammen, und Matthias wusste, dass er nun nichts mehr sagen würde.
    Daher meinte Matthias nur knapp: »Sie haben völlig recht, es ist eine Schande!«, und verließ die Bar.
    Den ganzen Tag über ging er nicht mehr hinunter ans Meer. Auch nicht ins Restaurant. Er saß auf dem Balkon und überlegte. Aß Käsereste aus dem Kühlschrank, trank eine halbe Flasche Wein und zwei Flaschen von seinem Wasser und dachte nach.
    Die entscheidende Frage war, ob er sich schleunigst aus dem Staub machen sollte oder nicht. Auch Adriano würde sicher in den nächsten Stunden gefunden werden. Aber konnte man ihn überhaupt mit den beiden in Verbindung bringen? Und machte er sich nicht erst recht verdächtig, wenn er für zwei Wochen gebucht und bezahlt hatte und dann plötzlich überraschend und völlig überstürzt abreiste?
    X-mal hatte er das alles hin und her überlegt und war zum Ergebnis gekommen, dass es besser war, zu bleiben, aber nun war die Aufregung in Giglio so nah, und die Situation erschien viel bedrohlicher als am Tag zuvor.
    Sicher begann man jetzt damit, nicht nur Einheimische, sondern auch Touristen zu überprüfen. Und vor allem die, die versuchten, sich aus dem Staub zu machen.
    Und wieder fiel ihm die Ansichtskarte ein, die er aus Giglio an die Berliner Kommissarin geschickt hatte. Er hatte die Polizei einfach nur ein wenig ärgern und verrückt machen wollen, und da konnte er ja noch nicht ahnen, dass er auch hier zwei junge Männer ins Jenseits befördern würde. Die ganze Sache war verdammt dumm gelaufen, aber jetzt ließ sich nichts mehr rückgängig machen. Was für ein Irrsinn! Vielleicht sollte er sich wirklich schleunigst aus dem Staub machen?
    Nein. Er musste bleiben. Musste sich verhalten, als würde ihn die ganze Sache überhaupt nicht tangieren. Interessieren schon, aber nur so, wie man sich für einen Fremden interessierte, der von der U-Bahn überfahren worden war. Es erschütterte und verstörte einen, aber es traf einen nicht persönlich. Und schließlich hatte er mit den beiden nichts, aber auch gar nichts zu tun gehabt. Er kannte sie gar nicht. Da gab es keine Verbindung, also auch keinen Verdacht.
    Oder hatte Adriano irgendjemandem erzählt, dass er vorgehabt hatte, mit ihm eine Tour zu machen? Wahrscheinlich nicht, da er Matthias einfach nur ausnehmen wollte. Da war es sicherer, wenn niemand Bescheid wusste.
    Und dieser kleine Stricher war sowieso nur der Handlanger, der Typ fürs Grobe, der dazu verdonnert war, zu allem, was er tat und was passierte, die Schnauze zu halten. Nur so konnte man sich vor Dummheit schützen. Und dass Adriano der Intelligentere der beiden und der Kopf der kleinen Bande war, war Matthias von Anfang an klar gewesen.
    Im Grunde hatte er keine Lust mehr, auch nur fünf Minuten länger auf dieser verdammten Insel zu bleiben, aber er begriff, dass es besser war. Er musste aushalten. Ganz egal, wie schwer es ihm fiel.
    Am nächsten Morgen fand man – nach der größten Suchaktion, die es auf dieser Insel jemals gegeben hatte – auch Adriano.
    Es war also nicht so, dass Adriano seinen Freund und Kumpel Fabrizio im Streit die Klippen hinuntergestoßen hatte und dann abgetaucht war, nein, sie waren ganz offensichtlich zusammen in den Tod gesprungen.
    Die Jugend auf Giglio hatte nicht die geringste Perspektive. Wer eine Zukunft haben wollte, ging nach Perugia, Grosseto, Mailand oder noch besser nach Rom, wer blieb, versank in Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung und Depression.
    Matthias interessierte das alles nicht. Solange die Carabinieri nicht vor seinem Appartement auftauchten, war alles gut.
    Er saß auf seinem kleinen Balkon, sah hinaus aufs Meer und langweilte sich zu

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