Nachtruf (German Edition)
früher oder später dort auftauchen würde.“ Trevor wünschte nur, sie hätten mehr von den Teenagern erfahren. Doch nach einer weiteren fruchtlosen Stunde mit Befragungen von Clubgästen hatte er die Sache beendet. Zumindest hatten sie einen Vornamen und eine Telefonnummer. Damit konnten sie das Opfer mit ziemlicher Sicherheit identifizieren.
Rain blickte ihn aus ihren haselnussbraunen Augen fragendan. „Was sich da heute in dem Club ereignet hat – ist das typisch für Ihren Beruf?“
„Sie meinen, ob ich jeden Abend verprügelt werde?“ Er versuchte ein Lächeln. „Nein. Aber was geschehen ist, bedeutet, dass mein Besuch dort jemandem ungelegen kam.“
„Sie wurden mit einem Messer angegriffen. Dass Sie damit so locker umgehen, sagt mir, dass es nicht das erste Mal war.“
„Ich bin Bundesagent, und ich kläre Gewaltverbrechen auf. In bewaffnete Auseinandersetzungen zu geraten gehört manchmal dazu.“
„Trotzdem muss es Sie doch irgendwie berühren.“
„Ist das Ihre Meinung als Psychologin?“
Rain blickte ihm ins Gesicht. „Das ist die Meinung von jemandem, der sich Sorgen macht.“
Sie standen dicht beieinander. Trevor betrachtete ihre hübschen Gesichtszüge. Bestimmt konnte sie sein heftiges Herzklopfen hören. Er spürte wieder die körperliche Anziehung, die er für sie empfand – eigentlich hatte er sich schon seit dem ersten Augenblick, als Brian sie einander vorgestellt hatte, daran gewöhnt.
„Ich tue, was ich tun muss.“
Ihre Stimme blieb sanft. „Dann sollten Sie sicherstellen, dass es Sie nicht auffrisst.“
Rain ließ ihre Hand auf seinem T-Shirt liegen. Er dachte an den Abend zurück, an den Moment, als er ihr eine seidige Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen hatte. Und daran, als er sie auf der Tanzfläche an sich gezogen und dabei seine Finger um ihre schmale Taille gelegt hatte. Beide Gesten waren spontan gewesen, beinahe instinktiv, doch sie hatten eine leichte Benommenheit bei ihm hinterlassen. Für einen flüchtigen Augenblick hatte sein Verstand all die Verantwortung, die sein Job mit sich brachte, beiseitegeschoben. Und so, wie sie ihn jetzt gerade ansah, glaubte er ganz fest, dass sie dieselbe starke Anziehung zwischen ihnen spürte.
„Sie sind Teil dieser Ermittlung, Rain“, sagte er leise und ermahntesich damit vor allem selbst.
„Ich weiß“, murmelte sie.
„Dann verstehen Sie, warum …“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zaghaft. Trevor stand wie erstarrt da, während in ihm sein Begehren mit seiner Selbstbeherrschung kämpfte. Sie drückte ihren Körper leicht gegen seinen und ließ ihre Handflächen nach oben gleiten, bis sie auf seinen Schultern ruhten. Ein stiller Moment verstrich, bis Rain sich schließlich zurückzog. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und ihre Augen schimmerten feucht. Sie blickte ihn unsicher an. Trevor seufzte leise. Dann umschloss er ihr Gesicht mit beiden Händen, legte sanft ihren Kopf in den Nacken und presste seine Lippen auf die ihren. Ihre Reaktion ließ sein Herz schneller schlagen. Er vertiefte den Kuss für einen Moment, ehe er widerstrebend die Berührung unterbrach. In seinem Blick lag Bedauern.
„Ich werde das Haus kontrollieren, bevor ich gehe“, brachte er mit heiserer Stimme hervor. Rain nickte. Als er ein paar Minuten später in die Diele zurückkehrte, stand sie noch immer an derselben Stelle, aber ihr Blick ging in die Ferne.
Trevor räusperte sich. „Stellen Sie die Alarmanlage an, wenn ich fort bin.“
Draußen sprach er mit den Polizisten im Streifenwagen. Schließlich stieg er in seinen Wagen. Er wartete, bis das Licht im Wohnzimmer gelöscht war und das Erdgeschoss des Hauses im Dunkeln lag.
Er war aufgewühlt, und das hatte nichts mit der Auseinandersetzung im Ascension zu tun. Bei einer Ermittlung dieser Größenordnung bedeutete Rain eine Komplikation, die er sich nicht erlauben konnte. Mit ihrem süßen Geschmack auf seinen Lippen startete er den Motor und fuhr davon.
15. KAPITEL
Als Trevor aus dem Vernehmungsraum der Dienststelle kam, blickte McGrath mit einem Bissen von seinem riesigen Austernsandwich im Mund vom Computerbildschirm auf.
„Haben Sie irgendwas aus der Mitbewohnerin rausbekommen?“, fragte McGrath mit vollem Mund.
„Noch nicht. Sie ist ziemlich durcheinander.“ Trevor fühlte sich vollkommen erschöpft. Trotz des spätabendlichen Besuchs im Ascension arbeitete er seit kurz nach sieben unter Hochdruck. Die Telefonnummer, die sie im Club
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