Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)
einer der Wandnischen fiel. In der Nische stand, lebensecht nachgebildet, eine erzene Teufelsstatue. Ihre Augen funkelten. Schwefliger Dampf quoll aus, ihren Nüstern, und von ihren Fingern und Hörnern züngelten kleine Flämmchen.
Die Mortons jubelten und verneigten sich vor der Statue.
Dann wurde die nächste enthüllt. Wieder fiel ein Vorhang. Schließlich umgaben acht Teufelsbilder, teils mit gesenktem Dreizack, teils gebückt oder aufgerichtet, die gefesselte Letitia. Die Mortons sangen und sagten ihre Litaneien auf. Letitia schwitzte. Die vielen Menschen in dem unterirdischen, schlecht belüfteten Raum erzeugten mehr und mehr Wärme.
Oder trugen jetzt auch die Flammen dazu bei?
Letitia in verlor jeden Zeitbegriff. Die Die alte Helen thronte über der Szene und bildete einen ihrer grausigen Pole. Der andere Pol war Letitia. Zwischen ihr und Helen floss ein Kraftstrom hin und her. Den Eindruck hatte Letitia jedenfalls.
Man flößte ihr mit Gewalt einen Trank ein. Wieder spürte Letitia die benebelnde Wirkung. Ihr Herz hämmerte heftig. Ihr Wille, alles, an was an was sie glaubte, und der Geist, in dem sie erzogen worden war, bäumten sich auf. Doch heimtückisch untergrub der Trank Letitias Widerstandskraft.
Benommen hing Letitia in den Stricken, die sie hielten. Angst und Widerwille traten in den Hintergrund. Letitia vergaß ihren Abscheu. Sie fragte sich, was eigentlich vorging, und konnte sich nur noch mühsam daran erinnern.
Letitia wiederholte im Geist Gebete, die sie als Kind gelernt hatte. Das half ihr ein wenig. Doch dann ließ Helen einen sich drehenden Spiegel vor Letitias Augen aufstellen. Er schleuderte Lichtreflexe wie Lanzen in Letitias Augen.
Sie senkte die Lider.
»Öffne die Augen!«, rief Ann ihr ins Ohr und zog Letitia bei den Haaren. Schau in das Licht des Bösen!«
Letitia musste gehorchen. Man gab ihr wieder einen bitteren Trank, von dem sie nur einen Teil auszuspucken vermochte. Sie schaute in das Licht des Spiegels Helens runzliges altes Gesicht tauchte knapp vor Letitia auf.
»Geist und Seele Letitias, verlasst diesen Körper!«, murmelte die Greisin. »Geht in die Gefilde des Herrn dieser Welt, oder in die Bereiche der verirrten, verwirrten Seelen! Satan, baue die Brücke. Lass mich hinübergehen in diesen Körper, dass ich erneuert werde.«
Helen wiederholte die Worte. Letitia sah fast nur noch die Lichtreflexe und die bösartig funkelnden Augen Helens. Das Gift, das man ihr eingeflößt hatte, setzte ihr zu.
Die Teufelsanbeter mit ihren plärrenden Gesängen und Litaneien, die Statuen in den Nischen, die Flammen und manchmal die misstönige Orgel mit ihrem Teufelskonzert nahm Letitia kaum noch wahr.
Etwas zerrte an ihrem Geist. Ihr war, als ob sich ihr Geist, obwohl er noch durch gewisse Bande mit ihm verbunden war, aus ihrem Körper entfernte. Ähnlich musste es einer Sterbenden zumute sein, wenn der Geist den Körper verließ.
Letitia wehrte sich mit all ihrer geistigen Kraft, die aber mehr und mehr eingeschränkt wurde. Sie spürte einen Schmerz, als ob eine Verbindung zu ihrem Körper durchtrennt worden sei.
Helen sagte etwas. Die Teufelsanbeter heulten triumphierend auf. Die Flammen züngelten stärker, und Feuerschein umhüllte die Statuen in den Nischen, die sich nun bewegten.
Sie nimmt mir meinen Körper, dachte Letitia verzweifelt. Ich bin verloren!
*
Peter Trent kehrte mit dem Konstabler Hayward nach Stornoway zurück. Vor seinem Haus blieb Peter stehen.
»Ich weiß nicht mehr, was ich zu der ganzen Geschichte sagen soll«, meinte er zu dem Konstabler.
Hayward kochte noch immer vor Zorn wegen der Blamage, die er bei den Mortons erlitten hatte.
»Am besten, du sagst überhaupt nichts mehr«, fuhr Hayward Peter an. »Wenn ich das gewusst hätte, dass du da oben nicht ganz richtig bist« – er tippte sich an die Stirn – »wäre ich nie mit dir zu der Morton-Villa gegangen. Ich sollte dich einsperren.«
Peter fasste an die Beule an seinem Kopf.
»Ich hatte noch nie Halluzinationen. Ich kann mir das nicht erklären. Mein Kopf schmerzt, und ich bin völlig fertig. Ich begreife das nicht.«
Hayward hatte einen Anflug von Mitleid.
»Ich will dir mal was sagen: Du gehst jetzt ins Haus, und ich schicke den Doktor zu dir, der dich gründlich untersuchen soll. Je nachdem, was er feststellt, verfahren wir weiter. Du bist ein netter Kerl, Peter. Die Kinder mögen dich, und sie lernen etwas bei dir. Vielleicht hat die Kopfverletzung bei dir nur etwas
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