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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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und Tico sind, glaube ich, noch immer ein Paar, sie leben wie ich in dem, was ich den Dämmerbereich nenne, oder sind, besser gesagt, genausowenig wie ich je aus ihm herausgekommen. Einige haben wirklich Geld verdient, einige hatten schon immer welches, andere, wie ich, kratzten es hier und da zusammen, aber es war nie ein Thema. Woher du Geld hattest, wußte ich nicht. Gemodelt hast du nur hin und wieder, aber Geld hattest du irgendwie immer. Der Schriftsteller schrieb Bücher, die wir nicht lasen, der Baron war irgendwo Amtsrichter, das jüdische Wunderkind wurde tatsächlich Chirurg und tat so, als schämte er sich dafür, Merel machte gute Geschäfte, nachdem die Surinamer kamen, doch über Geld wurde nie gesprochen, von keinem, Nigel führte die Schuldenliste, was bedeutete, daß er ständig Zahlenreihen gegeneinander verrechnen mußte. Jeder hatte ewig Schulden bei jedem. Alle paar Wochen sagte Nigel, beim nächstenmal müsse bezahlt werden, und das geschah dann auch.

3

    Wie ist das eigentlich mit der Erinnerung von Toten? Ja, mir ist klar, daß ich darauf keine Antworterwarten kann und somit auch nicht auf das, was ich eigentlich fragen wollte. Wie kommt es, hätte die Frage gelautet, daß das Leben in dem Maße, wie man älter wird, immer mehr einer Fiktion gleicht? Ich weiß nicht, was schlimmer ist, alt zu werden oder tot zu sein, aber du bist nie alt gewesen und ich noch nie tot. Ich denke, ich habe es hier so leer geräumt, damit meine Fiktion nicht anderen Fiktionen gleicht, aber das ist natürlich Unsinn, denn damit wird sie auch wieder nur zu einer Fiktion, wenn auch einer, der man nicht so oft begegnet. Du hast schon immer um diese Dinge gewußt. Du hast unheimlich viel gelesen, allerdings gereizt, als würde stets etwas dabei fehlen. Den Gedanken von der Fiktion habe ich von dir, du warst die erste, die es so nannte. Wir kamen aus dem Kino, ich glaube, ich war richtig erfüllt von dem Film, und da sagtest du auf einmal ganz verächtlich: Täuschend echt. Alles ist immer eine Kopie von etwas anderem, es lohnt sich kaum, zu leben, wenn ein anderer einen zweistündigen Film daraus machen kann oder ein Buch, das man in zwei Tagen gelesen hat. Jeder ist sein eigener Roman, und dann auch noch viel zu lang. Alles nur Imitation. Ich glaube, ich erschrak, jedenfalls wußte ich nichts zu entgegnen. Du sagtest noch etwas über eingedickte Zeit, und das empfand ich fast körperlich. Wir liefen vom Leidseplein in Richtung Vondelpark, und als wir dort den Splittwegentlanggingen, nahm dieses Bild seinen Wortsinn an, die Schritte, die im wirklichen Leben so lange dauern, wie ein Schritt nun einmal dauert, bekamen durch deine Bemerkung etwas Hassenswertes, als müßten sie zu einem Filmbild oder zu der Seite eines Buchs zusammengeschoben werden, die dann anderen Filmen gleichen würden oder anderen Büchern. Nigel, der fast nie etwas äußerte, das auch nur entfernt an Persönliches erinnerte, sagte einmal plötzlich mitten im Spiel, ohne erkennbaren Anlaß: Paula, du hast es zu eilig. Nigel, auch er verliebt in dich. Nigel, der ein Verhältnis mit Dodo hatte, die mit Gilles verheiratet war. Alles Romane. Du hast dir uns der Reihe nach vorgenommen, alle Filme ausprobiert. Vielleicht war Nigel der einzige, für den du wirklich etwas empfandest, ich weiß es nicht. Weil er so geheimnisvoll ist mit seinem weißen Gesicht, mehr hast du nie dazu gesagt. Der einzige also, den du jedenfalls nicht bekommen konntest. Mich hattest du sofort. Ich bin nicht geheimnisvoll, noch immer nicht. Von jenem ersten Abend an war ich überdeutlich, und diese Geschichte hattest du schon hundertmal gelesen. Beim einzigen Mal, als wir zusammen im Bett waren, hast du auf meine Deutlichkeit mit deiner geantwortet: Ich verstehe nicht, warum so ein Trara ums Bumsen gemacht wird. C’est une geste rendue , mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Und hinterher sagtest du, na, du und ich sind also nicht füreinander geschaffen. Schaunicht so bedeppert, jetzt fängt es erst an. Das hätten wir schon mal erledigt. Einen besseren Freund habe ich nie gehabt. Das hast nicht du gesagt, das sage ich. Und trotzdem habe ich nie wirklich gewußt, was du von mir gehalten hast. Manchmal schien es durch die Art und Weise, wie du mich angesehen hast, als würdest du etwas verbergen. Drei Wochen Wüste im Niger, mit einem Jeep nach Tamanrasset. Du tauchtest mit den Tickets auf, nachdem du uns an einem unvergeßlichen Abend alle ausgeraubt hattest, Nigel kam kaum

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