Nachts unter der steinernen Bruecke
der Pudel verwundert.
»Es ist so der Befehl«, gab der Berl Landfahrer zur Antwort.
»Dich werden sie vielleicht hängen«, meinte der Pudel. »Mich nicht. Mich hängt man nicht. Sie brauchen nur die Türe aufzumachen, so bin ich auch schon fort.
Er begann sich im Kreise zu drehen, und dann ließ er sich auf dem Boden nieder.
»Ich will jetzt schlafen«, sagte er. »Leg auch du den Kopf zwischen die Beine! Du bist also der Berl Landfahrer. Nein, mich hängt man nicht.«
Und damit schlief er ein.
Als der Morgen graute, wurde die Türe geöffnet, aber nicht der Henker kam, den Berl Landfahrer zur Richtstatt zu führen, sondern es traten Rebb Amschel und Rebb Simcha, die beiden Judenräte, in die Zelle. Der Herr Oberst Strassoldo hatte sich auf vieles Bitten und Drängen hin bereitfinden lassen, gegen ein Bußgeld von hundertfünfzig Gulden, das die Judenältesten sogleich zu erlegen hatten, dem Berl Landfahrer die Strafe zu erlassen.
»Wir bringen Freiheit dem Gefangenen und Erlösung dem Gefesselten«, rief Bebb Amschel. »Lobpreiset Gott, der uns seine Gnade nicht entzogen hat.«
Und Rebb Simcha sagte das Gleiche, nur mit nüchterneren Worten: »Ihr seid frei, Rebb Berl. Das Bußgeld ist für Euch bezahlt, Ihr könnt nach Hause gehen.«
Aber es schien, als hätte sie der Berl Landfahrer nicht verstanden.
»Der Hund! Der Hund!« schrie er. »Wo ist der Hund, er war doch eben noch hier. Meisls Hund! Er weiß, wo mein Geld vergraben ist. Achtzig Gulden!«
»Rebb Berl, Ihr seid frei«, wiederholten die Judenräte. »Versteht Ihr nicht? Gott hat geholfen, die Strafe ist Euch erlassen. Ihr könnt nach Hause gehen.«
»Der Hund! Der Hund!« jammerte der Berl Landfahrer. »Habt Ihr ihn nicht gesehen? Er ist zur Tür hinaus. Meisls Pudelhund, ich muß ihn finden. Achtzig Gulden! Ich Unglücklicher, ich Geschlagener! Wo ist der Hund?«
Man sah ihn noch viele Jahre in der Prager Judenstadt und in der Altstadt, er lief den Hunden nach und lockte sie an sich und hielt sie fest und dann fragte er sie, ob sie nicht den weißen Pudel gesehen hätten, den mit dem schwarzen Fleck unter dem Aug' und über dem Ohr, und wenn sie ihn träfen, so sollten sie ihm doch sagen, er, der Berl Landfahrer, sei nicht gehängt, und der Pudel solle doch zu ihm in die Ufergasse kommen, es werde ihm nichts geschehen, er werde nicht gehängt werden, das Bußgeld sei auch für ihn, den Pudel, gezahlt worden. Die Hunde schnappten nach ihm und rissen sich los, und der Berl Landfahrer lief den Hunden nach, und die Kinder liefen dem Berl Landfahrer nach, und die Erwachsenen schüttelten die Köpfe und sagten: »Der arme Berl Landfahrer! Er hat in jener Nacht in der Zelle vor Angst seine Menschenseele verloren.«
Die Sarabande
Auf einem Fest, das der Geheime Rat und Kanzler von Böhmen, Herr Zdenko von Lobkowitz, aus Anlaß der Taufe seines ersten Enkelkinds in seinem Prager Stadthaus gab, befand sich unter den Gästen auch ein kaiserlicher Hauptmann, ein Baron Juranic, der ein oder zwei Tage vorher aus Kroatien oder aus dem Sklawonierland in der böhmischen Hauptstadt eingetroffen war. Und während die anderen Herren so gekleidet waren, wie es der Anlaß und die Mode vorschrieben, indem sie nämlich den goldgestickten Rock aus purpurfarbenem Samt mit weißgefütterten geschlitzten Ärmeln und dazu mit Goldbrokat besetzte, an den Knien enge Hosen, seidene Strümpfe und Atlasschuhe mit seidenen Schleifen trugen, war der Baron Juranic in Reisekleidern, mit Lederhose und hohen Stiefeln, erschienen, was er damit entschuldigte, daß sein Gepäck in der letzten Poststation liegen geblieben und ihm noch nicht nachgesendet worden sei. Auch hatte er sich nach dem Brauch der Grenzoffiziere das Haar und den Bart mit Schweineschmer eingerieben, aber diese Eigenheit hielt man einem Manne zugute, dem der immerwährende Kampf gegen die Türken, die Erbfeinde der Christenheit, nicht Zeit gelassen hatte, sich darüber zu unterrichten, was die Mode einem Kavalier verstattete und was nach ihrem Gesetz verpönt war.
Der Baron Juranic also ließ es sich auf diesem Fest recht wohl ergehen, er trank und tanzte mit großer Ausdauer und in guter Laune, wobei es freilich mit seinem Tanzen nicht weit her war. Ob nun die Musikanten zu einer Gigue, zu einer Courante oder zu einer Sarabande aufspielten, — ihm machte das keinen Unterschied, er vollführte bei jedem dieser Tänze die gleichen Sprünge und bezeigte dabei weit mehr Eifer als Geschicklichkeit. Kurzum, — dieser tapfere
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