Nachts unter der steinernen Bruecke
Souveräns. Er drückte es an seine Lippen und übergab es dem Kanzler von Böhmen, der es dem Kaiser überreichte. Der Kaiser brach die Siegel und entfaltete das Schreiben. Dann legte er es in die Hände des böhmischen Kanzlers zurück, der es nunmehr dem Dolmetsch zur Verlesung übergab.
In diesem Augenblick setzten die Fagotten, die Cornetten, die Schalmeien und die Kesselpauke mit einer kurzen und lärmenden Musik ein. Einer von den Mamelucken machte Tanzbewegungen und stieß langgezogene Rufe aus, - ein Gehaben, das im Zeremoniell nicht vorgesehen gewesen war. Dann trat Stille ein, und der gelehrte Mönch begann mit der Verlesung:
»Ich, Muley Mehemed, aus göttlichem Willen ein gewaltiger Gebieter und Kaiser im occidentischen Afrika diesseits und jenseits des Atlasgebirges, in Fez, Zagora und Tremissa König, Herr über Mauretanien und die Berberei, entbiete meinem Bruder, dem Römischen Kaiser und König von Böhmen, meinen Gruß und wünsche ihm ...«
»Es ist der Heinrich«, sagte plötzlich der Kaiser, der den
Gesandten unverwandt angesehen hatte.
»... und wünsche ihm«, fuhr der Dolmetsch nach einem
kurzen Augenblick der Verwirrung fort, »ein langes Leben
und die rechte Erkenntnis Gottes, die allein...« »Frag diesen dort«, unterbrach ihn der Kaiser, und er
wies dabei auf den Gesandten, »ob er glaubt und bekennt,
daß Jesus Christus zu unserer Erlösung in das Fleisch ge-
kommen ist.«
»... die allein die Tore des Paradieses öffnet, daß er ewig
darin wohne ...«
»Du sollst ihn fragen«, rief der Kaiser jetzt mit überlauter
Stimme, »ob er glaubt und bekennt, daß Jesus Christus in
das Fleisch gekommen ist.«
Unter den Anwesenden erhob sich ein Flüstern. Der
Oberstkämmerer und der Kanzler von Böhmen traten auf
den Kaiser zu, um ihn zu beschwichtigen. Der gelehrte
Mönch ließ das Handschreiben sinken und wandte sich
mit einigen Worten an den Gesandten.
Der Gesandte blickte einen Augenblick lang schweigend
vor sich hin. Dann machte er eine Handbewegung, als ob
er die Frage, die an ihn gerichtet worden war, als eine, die
ihn nicht zu bekümmern habe, von sich wiese.
»Er will nicht bekennen«, rief der Kaiser. »So heiß ihn
die Artikel des Glaubens hersagen.«
Der Dolmetsch übermittelte dem Gesandten das Begehren des Kaisers. Der Gesandte deutete durch eine Kopfbewegung an, daß er außerstande sei, dieses Begehren zu erfüllen.
»Es ist der Heinrich«, sagte jetzt der Kaiser kurz und entschieden. »O Jammer über Jammer! Es ist der Heinrich,
und er kommt aus der Hölle.«
Der böhmische Kanzler, der Oberstkämmerer und der Zeremonienmeister erkannten jetzt, daß der Kaiser den marokkanischen Gesandten für einen gewissen Heinrich Twaroch
hielt, der vor vielen Jahren als Futterkencht in den kaiserlichen Stallungen beschäftigt gewesen war, und sie waren sich
einig darüber, daß man der Audienz so rasch, als es ginge, ein
Ende bereiten müsse. Denn der Irrtum, dem der Kaiser allem
Anschein nach verfallen war, wirkte um so peinlicher, als
dieser Heinrich Twaroch nicht nur von sehr geringer Herkunft gewesen war, — er war auch des Diebstahls überwiesen
und gefänglich eingezogen worden, denn er hatte dem Kaiser, der ein großer Liebhaber von alten Münzen und Medaillen war und eine schöne Collection von ihnen zusammengebracht hatte, drei römische Goldmünzen und eine silberne
Medaille aus der Tasche gezogen. Und dafür wäre er gehängt
worden, wenn es ihm nicht gelungen wäre, das Fenstergitter
zu durchfeilen und so in letzter Stunde aus dem Gefängnis zu
entkommen. Daß er dem Galgen entwischt war, hatte man
dem Kaiser, der über den an ihm begangenen Diebstahl sehr
aufgebracht gewesen war, verschwiegen.
Aber bevor der böhmische Kanzler und die beiden anderen großen Herren noch etwas tun konnten, um den befürchteten Eclat zu verhindern, hatte sich der Kaiser von seinem Thronsessel erhoben und war auf den Gesandten zugetreten.
»Höre, Heinrich!« sagte er mit einer Stimme, in der Kummer, unterdrückte Furcht und verhaltenes Grauen klang. »Ich weiß, aus welchem Reich du kommst und was du von mir zu hören begehrst.«
Der böhmische Kanzler, der Oberstkämmerer und der Zeremonienmeister atmeten erleichtert auf, und alle die anderen vom Hof, die anwesend waren, machten erstaunte Gesichter und steckten die Köpfe zusammen. Denn der Kaiser hatte den marokkanischen Gesandten in böhmischer Sprache angeredet.
»Ich will dir auch meine Antwort nicht versagen«, fuhr der Kaiser mit
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