Nachts unter der steinernen Bruecke
erhobener Stimme fort. »Geh zurück zu dem, der dich gesendet hat, und sag ihm, daß ich mich nicht eines Fingers breit von dem Herrn Jesus, der uns erlöst hat, hinwegbegeben werde. Und dieses ist mein Vorhaben und dabei will ich verharren, sollt' auch mein Kaisertum und alle meine Macht darüber zugrunde gehen.« Er hielt erschöpft inne, seine Hände zitterten, Schweißtropfen waren auf seine Stirne getreten. Der Gesandte stand leicht nach vorn geneigt, regungslos, die Arme über der Brust gekreuzt.
»Du hast mir«, sprach der Kaiser mit gedämpfter Stimme weiter, als wäre das, was er noch zu sagen hatte, nur für diesen einen, der vor ihm stand, bestimmt, »dereinst, als ich in den Stall kam, um mir die flandrischen Hengste zu besehen, als Dieb, der du warst, aus meiner Tasche drei von meinen goldenen Heidenköpfchen entwendet, hast sie verkauft und den Erlös vertrunken, dafür hast du elend dahinfahren müssen, hast es gebüßt. Ich hab' dir's vergeben und will Gott bitten, daß er dir gnädig sei. Und jetzt gib Frieden, Heinrich! Gib Frieden, geh hinweg von hier, geh an den Ort, den Gott dir zubereitet hat!«
Der Kaiser trat zwei Schritte zurück, blieb stehen, sah
den Gesandten oder Boten des Teufels nochmals an und
schlug wie zu einem Abschied mit zwei Fingern seiner
Hand das Zeichen des Kreuzes. Dann wandte er sich und
ging zur Tür hinaus. Der Zeremonienmeister, der wie in
einer Erstarrung dagestanden war, schien zu erwachen
und stieß seinen Stab dreimal zu Boden. Die Trommeln
wirbelten, die Türe schloß sich, die Audienz war beendet
und Herr Zdenko von Lobkowitz, der Kanzler von Böhmen, sandte ein Dankgebet zum Himmel, daß die Sache so
glimpflich abgelaufen war.
Am Abend dieses Tages, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, verließ der Gesandte durch ein Hinterpförtchen das Haus »Zum Resedenstock«. Er war wie ein böhmischer Handwerksmann, wenn er am Abend ins Wirtshaus geht, gekleidet, trug einen Rock aus dickem Tuch, grauwollene Strümpfe, derbe Schuhe und einen breiten Filzhut.
Er ging durch die untere und obere Neustadt zu den Weinbergen, die außerhalb des Stadtgebietes lagen, und weiter auf der Landstraße und dann auf einem Feldweg den Bottic-Bach entlang, bis er zu den Flachsfeldern und den Obstgärten gelangte, die das Dörfchen Nusle umgaben.
Hier stand ein Häuschen inmitten eines Gartens, in dem Kohlrüben, Zwiebeln und Runkelrüben gezogen wurden. Auf der Umrandung eines Ziehbrunnens schlief eine Katze. Es roch nach Kuhmist und nach feuchter Erde.
In dieses Häuschen trat der Gestandte des Kaisers von Marokko ein.
Der Gärtner, ein kahlköpfiger alter Mann, saß neben dem Herd und blickte auf die Milchsuppe, die über dem Herdfeuer brodelte. Er stand nicht auf. Er fuhr sich mit der Hand über das stoppelige Kinn und nickte dem Besucher zu.
»Da bist du wieder«, sagte er. »Du kommst immer wie der Nicodemus in der Nacht.«
»Ich war heut in der Burg«, berichtete der Besucher und sah sich nach einem Stuhl um.
»Das war recht unvorsichtig von dir«, meinte der Gärtner. »Es hätte schlimm für dich ausgehen können.«
»Wer dient, der muß solche und auch noch gefährlichere Dinge wagen, wenn sein Herr es befiehlt«, erklärte der Besucher.
»Nun, du bist heil zurückgekommen«, sagte der alte Mann. »Du hast immer Glück gehabt. Wenn man dich in den Fluß wirft, kommst du mit einem Fisch im Maul zurück.«
Er stellte die Milchsuppe auf den Tisch und holte einen halben Brotlaib aus dem Kasten. Sie begannen zu essen.
»Nur daß du drüben in Afrika ein gar so großer Herr geworden bist, das sollst du mir nicht aufbinden. Daß dein Mohrenkaiser kommt, um dich um Rat zu fragen«, sagte der alte Mann und schob eine Brotschnitte, die er in die Milchsuppe getaucht hatte, in seinen Mund.
»Es ist so«, erwiderte der Gesandte. »Ich steh' meinem Gebieter so nahe wie Petrus dem Herrn.«
»Und daß dich in Vendig der Herzog, der dort regiert, elf Tage lang auf seine Kosten bewirten ließ, das mach mir auch nicht weis.«
»Es ist aber die Wahrheit«, beteuerte der Besucher. »Nur, was ich dort den Trompetern und Trommelschlägern, den Türhütern, den Lakaien, den Läufern und den Ruderknechten spendieren mußte, davon könnt' einer hier in Prag ein halbes Jahr lang leben.«
»Und deine hundert Sklaven und Diener und deine ich weiß nicht wieviel Frauen, — die soll ich dir glauben?« fuhr der alte Mann streitsüchtig fort. »Freilich, — etliche Frauen hab' ich auch gehabt, ich hatte aber
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