Nachts unter der steinernen Bruecke
Arbeit, begann dieses und jenes und führte nichts zu Ende, dann wieder saß er oft stunden-, ja tagelang müßig und starrte vor sich hin.
Der Brouza sah mit Kummer und Besorgnis die Veränderung, die mit seinem Herrn vor sich gegangen war, er wußte sie sich nicht zu erklären. Und als der Alchimist wieder einmal die Schüsseln, die er ihm aus der Küche gebracht hatte, unberührt stehen ließ, da war's dem Brouza zuviel, und er drang in ihn, er solle ihm doch endlich sagen, was ihm Schlimmes widerfahren sei.
Der van Delle schwieg und starrte vor sich hin, als aber der Brouza mit seinem Bitten und Drängen nicht nachließ, da bekannte er, wie übel es um ihn stünde. Daß ihm sein Werk mißlungen sei, daß er dem Kaiser seinen Kopf verpfändet habe, und daß er nun fürchten müsse, ihn zu verlieren.
»Ich müßte fort, sollt' mich davonmachen, aber wie kann ich's?« beendete er seinen Bericht. »Ich stehe unter Bewachung. Du hast's ja auch gemerkt, daß seit etlichen Wochen draußen auf dem Gang, nicht weit von meiner Tür zwei Hakenschützen postiert sind, der eine rechts, der andere links, und wenn ich Sonntags zur Messe gehe, dann sind sie beide dicht hinter mir, lassen mich auch in der Kirche nicht aus den Augen. Verflucht das Schicksal, das mich in dieses Haus geführt hat!«
Der Brouza war ganz bestürzt und verwirrt durch das, was er da vernahm, und anfangs brachte er kein Wort hervor, er konnte nur röcheln und mit den Zähnen knirschen, ein heftiger Schmerz saß würgend in seiner Kehle. Dann, als er endlich einen Gedanken fassen und etliche Worte finden konnte, ihn auszudrücken, bat er den Alchimisten, er solle doch die Sache noch einmal beginnen, sie werde ihm gelingen, alles gelänge ihm, er dürfe nur die Hoffnung nicht fahren lassen.
»Diese Hoffnung«, sagte der van Delle mit einem trüben Lächeln, »ist eine eitle Hoffnung, und wer sie hegt, der bäckt Brot aus Korn, das noch nicht gesät ist. Nein, Brouza, ich bin ein verlorener Mann.«
»So solltet Ihr«, riet nun der Brouza, »hinunter zum Kaiser gehen, ihn um Gnade bitten.«
Der Alchimist schüttelte den Kopf.
»Hast du den Kaiser schon jemals lachen gesehen?« fragte er.
»Nein«, sagte der Brouza. »Ich hab' ihn wohl oftmals in Zorn, aber niemals zum Lachen gebracht.«
»Von einem, der nicht lachen kann, ist auch keine Barmherzigkeit zu erwarten«, erklärte der Alchimist. »Bei den Zyklopen und Bestien im allerdichtesten Wald ist mehr Gnade zu erwarten als von Seiner Majestät, dem Kaiser.« Der Brouza wollte wissen, ob mitden Zyklopen die Kohlenbrenner gemeint seien. Aber dem van Delle stand jetzt nicht der Sinn danach, dem Brouza vom Ulysses und seinem Abenteuer in der Höhle des Polyphem zu erzählen, und so sagte er nur, die Zyklopen seien keine Kohlenbrenner, sondern Ziegenhirten, aberwilde und gefährliche Leute vonbösen Sitten. Dann wiederholte er, er sei ein verlorener Mann.
»Beileibe nicht«, rief der Brouza, der seine Fassung wiedererlangt hatte. »Richtet nur zu, was Ihr mit Euch nehmen wollt, und für das andere laßt mich sorgen. Ich werde Euch ungesehen in den Hirschgraben bringen und von dort ins Freie. Und wenn Ihr in den Wald zu den Zyklopen wollt, so geh' ich mit Euch, vor Ziegenhirten fürchte ich mich nicht.«
Der Alchimist bedeutete ihm, daß er nicht zu den Zyklopen fliehen wollt', sondern ins Bayrische, dort habe er Freunde, die ihn aufnehmen würden. Aber dazu brauche er Geld, und er wisse sich keines zu beschaffen.
Wenn die Red' auf das Geld kommt, und der eine hat es und der andere will es, geht oftmals die Freundschaft in Brüche. Aber hier war es anders.
»Ist es nur Geld?« meinte der Brouza. »Daran wird es uns nicht fehlen. Ich hab' Erspartes und werd' es heute noch um etliche Gulden vermehren.«
Und er ließ den van Delle und ging, um noch einmal und, wie er glaubte, zum letztenmal beim Kaiser seine eigene Goldmacherkunst zu erproben.
Der Kaiser war, als der Brouza zu ihm in die Kammer trat, in die Betrachtung eines der Gemälde vertieft, die er mit dem Geld, das von den Geschäften des Meisl herkam, bezahlt hatte. Er war guter Laune, sah den Brouza und nickte ihm zu.
»Komm her«, sagte er, »und sieh dir das Bild an! Was siehst du da gemalt?«
Das Bild war ein Parmeggianino und zeigte den Heiland mit seinen Jüngern beim Abendmahl. Der Brouza schob sich heran, rieb sich die Nase noch platter, als sie schon war, legte die Stirne in Furchen, streckte die Unterlippe vor und nahm so die Miene eines
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