Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
Vom Netzwerk:
Mannes an, der den Dingen bis auf den Grund gehen will.
    »Das sind«, erklärte er sodann, »die zwölf Söhne des Patriarchen Jakob, ich könnt' beschwören, sie sprechen hebräisch miteinander.«
    Und er ahmte mit ein paar rauhen Kehllauten die hebräische Sprache nach.
»Es sind aber dreizehn, nicht zwölf«, meinte der Kaiser.
»Jakob und seine zwölf Söhne, das macht zusammen dreizehn«, hielt ihm der Brouza vor.
»Erkennst du Christum nicht?« fragte der Kaiser und wies mit einem aus buntem Achat geschnittenen Messer auf die Figur des Heilands.
»Jetzt, da du mir ihn weist, Herrlein, jetzt erkenne ich ihn«, sagte der Brouza. »Gott mit dir, Christus! - Sitzt bei Tisch und läßt sich's gut gehen«, fügte er in ärgerlichem Ton hinzu, als müßte Christus, wenn es nach ihm ginge, allezeit unter seinem Kreuz dahinwanken.
»Er spricht mit dem Judas, der ihn verkauft und verraten hat«, erklärte ihm der Kaiser.
»Was geht's mich an? Ma g er ihn verraten haben«, fuhr ihn der Brouza an. »Ich misch' mich nicht in der Herren ihre Hadereien. Ich laß' jeden das seine schaffen, scher' mich um keinen.«
Er meinte, auf diese Worte hin, die gotteslästerlich genug klangen, werde nun der Kaiser zum Stock greifen und ihm das Fell gerben. Aber der Kaiser wies ihn nur mit gelinden Worten zurecht.
»Du solltest«, sagte er, »von den heiligen Dingen mit Ehrerbietung sprechen, bist doch ein Christ.«
»Und du? Bist du ein Christ und nennst Christum verschachern ein heilig Ding?« ging ihn der Brouza an. »Nun ja, du treibst ja selbst mit Christo Handelschaft.«
»Ich sollt' mit Christo Handelschaft treiben?« verwunderte sich der Kaiser.
Der Brouza tat, als hätte er vom Kaiser Rechenschaft zu fordern:
»Welcher Judas hat dir denn diesen Christus hier verkauft, und wieviel hast du für ihn bezahlt?«
»Kein Judas, sondern der Granvella, Neffe des Kardinals, hat mir dieses schöne Bild verkauft, und ich hab's mit vierzig Dukaten bezahlt, und jetzt geh, laß mich zufrieden!« sagte der Kaiser.
»Vierzig Dukaten?« schrie der Brouza. »Da siehst du nun, Herrlein, was ich immer sag', daß du wie ein rechter Narr haushältst. Vierzig Dukaten hast du für den gemalten Christus bezahlt, da doch der lebendige nicht höher als mit dreißig Groschen im Preis steht.«
»Nennst du mich einen Narren? Wart nur, ich werd' dir gute Sitte beibringen und Achtung vor der Majestät«, rief der Kaiser, der jetzt die Geduld verlor, und der Brouza wußte, daß es nur noch geringer Anstrengung bedurfte und er kam zu seiner Tracht Prügel. Er stellte sich, als wollte er den Kaiser beschwichtigen.
»Was schreist du? Was erbost du dich?« sagte er. »Du weißt, in welchem Ansehen du bei mir stehst, ich heb' dich noch hoch über den Schellenkönig.«
Das war dem Kaiser zuviel. Der Zorn übermannte ihn, das plattnäsige und einfältige Gesicht des Brouza verschwamm ihm zu einer wilden Teufelsfratze. Er warf ihm an den Kopf, was er gerade zur Hand hatte, zuerst das achatne Messer, dann einen Teller mit Kirschen, und als dieser sein Ziel verfehlte, fiel er mit dem Stock über den Brouza her.
Der Brouza nahm die Prügel in Empfang, wie ein Feld nach langer Trockenheit den Regen aufnimmt. Und wie dann der Kaiser schwer atmend und erschöpft in seinem Lehnstuhl saß und sein Zorn verging, da war für den Brouza die Zeit gekommen, zu greinen, zu flennen und heftige Reschwerde zu führen.
»Hilf Gott«, klagte er und rieb sich den Rücken, »was hast du mir, Herrlein, für höllische Marter angetan! Ich hab' nicht geglaubt, daß mir solches in deinem Haus widerfahren werde. Aber das soll dein gottseliger Vater, wenn ich dereinst dort droben in seinen allerhöchsten Dienst zurückkehr', erfahren, daß du mich hast steinigen wollen.«
Und er wies auf den zerbrochenen Teller, auf die Kirschen, die über den Boden verstreut lagen, und auf das achatne Messer, das ihm die Stirne geritzt hatte.
Der Kaiser reichte ihm sein Tüchlein, daß er sich die Blutstropfen von der Stirn wische. Dann bat er den Brouza, ihm in christlicher Milde zu verzeihen, er habe es im Zorn getan, es täte ihm leid. Der Brouza aber zeterte und schrie, Zorn sei eine Todsünd', mit Worten sei es diesmal nicht abzutun, zu groß sei die Marter gewesen, und er verlange sieben Gulden für die erlittenen Streiche und einen obendrein für den Wurf mit dem Messer, der ihn beinah' um sein Augenlicht gebracht hätte.
Acht Gulden, meinte der Kaiser, sei unbillig viel, er könnt's nicht geben.
Der

Weitere Kostenlose Bücher