Nachts unter der steinernen Bruecke
um endlich Frieden zu haben, und weil er wirklich daran glaubte, daß der Brouza bei dem verewigten Kaiser dereinst Klage wider ihn führen könnt', in
die Tasche griff und die Sache über seinen Geldbeutel ausgehen ließ.
Zu den Obliegenheiten des ßrouza gehörte es auch, daß er in die Werkstatt des Jakobus van Delle, der keinen eigenen Bedienten mit sich in die Burg gebracht hatte, täglich große Lasten von Holz und Kohle schleppte und dort die beiden Schmelzöfen heizte, den großen, der Athanor genannt wurde, und den kleinen, der das Wichtelmännchen hieß. Nach beendeter Arbeit kauerte er sich oft in einem Winkel der Stube nieder, denn die vielen sonderbar geformten Glasröhren, Flaschen, Tiegel, Phiolen, Brennkolben und Betörten des Alchimisten erregten seine Neugier. Mit Staunen und mit Entsetzen nahm er bisweilen wahr, wie eine Flamme, über die die Hand des Alchimisten hinglitt, in unbegreiflichem Gehorsam sogleich ihre Farbe wechselte und blau aufleuchtete oder safrangelb, grün oder violett. Er sah, daß die lodernden Feuerzungen den Alchimisten nicht zu sengen vermochten, er spielte mit ihnen, sein Blick bändigte sie, sie waren ihm Untertan. Weiter sah er, wie der Jakobus van Delle Glaskugeln aus einem Röhrchen blies und sie im Entstehen mit seinen Händen zu zarten, leuchtenden Gebilden formte. Diese feinen, schmalen und geschickten Hände hatten es dem Brouza angetan, wie auch der auf französische Art gestutzte Bart des Alchimisten, sein feuerfarbener Bock und die weißen Haarsträhnen, die unter seiner seidenen Mütze hervorquollen. Um sich länger in der Werkstatt aufhalten zu können, suchte er sich nützlich zu machen, indem er den Blasebalg bediente, das flüssige Blei mit einem Eisenstab rührte und Schwefel oder Phosphor in einem Mörser zerstieß. Auch brachte er dem van Delle das Essen aus der Küche und Schlag eins auf die Nacht den mit Gewürzen zubereiteten Schlaftrunk.
Es gelang ihm, das Vertrauen des van Delle zu gewinnen, der ihn anfangs kaum beachtet und an ihn nur selten ein
Wort verschwendet hatte. Die unterwürfige Ergebenheit, die ihm der Brouza bezeigte, mußte einem Manne wohltun, der sich von Mißtrauen umgeben fühlte, auf der Burg keinen wahren Freund besaß, ja überhaupt des Umgangs mit Menschen fast völlig entwöhnt war. Denn der van Delle verließ nur Sonntags die Burg, um in der Barnabitenkirche die Messe zu hören, und zu ihm in die Werkstatt kam nur hie und da einer von des Kaisers Kammerherren, der ihn hochmütig anhörte, wenn er von dem Fortgang seiner Arbeit sprach, und dann spöttisch fragte, wie lang er noch an seinem Süpplein kochen werde.
So hatte sich zwischen dem van Delle und dem Brouza mit der Zeit etwas herausgebildet, was man zwar nicht als Freundschaft bezeichnen durfte, denn dazu waren die beiden zu verschieden geartet, auch durch Stand und Herkunft allzu ungleich, wohl aber als eine Art Einverständnis. Der Brouza brachte dem van Delle eine schrankenlose Liebe und Bewunderung entgegen, und der van Delle vergalt sie ihm durch eine nachsichtige Zuneigung, wie sie etwa der Herr seinem etwas struppigen, dafür aber gehorsamen und guten Hund bezeigt.
Dem Brouza gegenüber wurde der Alchimist, der sonst mit Worten kargte, bisweilen mitteilsam, während wiederum der Brouza, solange er bei ihm war, seine Narrheit und sein unflätiges Wesen in strenger Zucht hielt. Beide, der Alchimist und der Ofenheizer, waren, wie in vielen Dingen, so auch darin einig, daß nur für Leute, die zu nichts Gutem taugten und auch nichts Gutes im Sinne hätten, der kaiserliche Hof ein glückseliger Aufenthalt sei. Der Brouza hinterbrachte dem van Delle alles, was in der Prager Burg vor sich ging. Daß in der Hofküche, in der Kleider- und in der Silberkammer, ja sogar in der Hofkapelle Geld und Geldeswert beiseite gebracht würden, und der Philipp Lang wisse darum und schwiege dazu, denn er bekäme von allem seinen Teil. Daß die Eva von Lobkowiz, eine schöne junge Person, die zur Audienz nicht angenommen worden war, als Stallknecht verkleidet in den Bereich der Burg gelangt und dem Kaiser zu Füßen gefallen sei und ihn um Gnade für ihren Vater gebeten habe, der im Schloßturm zu Elbogen in harter Haft gehalten wurde. Der Kaiser habe den Hut gelüftet, sie mit ihrem Namen angeredet, sie aufstehen geheißen und ihr die Erfüllung ihrer Bitte zugesagt, sich die Sache auch in seinem Büchlein vorgemerkt. Dennoch habe er etliche Tage später den Grafen Sternberg,
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