Nachts unter der steinernen Bruecke
ärgerlich mit dem Fuß auf.
»Ich weiß, Eure Majestät haben ihm eine Frist gesetzt, sind des Wartens müde«, sagte der Philipp Lang, während er dem Kaiser das seidene und mit Gold gestickte, aber schon ein wenig abgenützte Hemd reichte, das dieser des Nachts trug. »Wie die Sache ausgehen wird, das wird die Zeit weisen. Ich mein' aber ...«
Er zuckte die Achseln.
»Es gibt nur einen wahrhaftigen Goldmacher im Königreich«, fuhr er dann fort, »und das ist der Meisl-Jude.«
»Welcher Jude?« fragte der Kaiser. Er war vor das große gußeiserne Kruzifix getreten, beugte die Knie, senkte das Haupt, betete und schlug das Kreuz.
»Der Mordechäus Meisl in der Judenstadt«, erklärte der Philipp Lang, als der* Kaiser sein Gebet beendet hatte. »Der braucht den Vogel des Trismegistos nicht, dem der van Delle so verzweifelt nachjagt. Alle Dinge, die durch seine Hände gehen, werden ihm zu Gold. Wenn ich durch die Gnade Eurer Majestät hundert Gulden oder fünfzig hätte und ich gebe sie einem Bauersmann, so wird er sich Pflug und Zugvieh kaufen, und was wird er damit gewinnen? Alle Tage ein Stücklein Brot mit Salz darauf, mehr nicht. Geb' ich sie dem Schneider unten auf dem Platz, so wird er feines Tuch aus Mecheln dafür kommen lassen und mit diesem Tuch und mit Nadel und Schere wird er Tag für Tag sein Stück Gebratenes oder Gesottenes und einen Schoppen Wein dazu verdienen. Geb' ich aber die hundert Gulden dem Mordechäus Meisl, so macht er im Nu zweihundert daraus. Und das, Eure Majestät, ist die wahre Goldmacherkunst.«
»Dieser Jude ist ein sehr gefährlicher Mensch«, sagte der Kaiser. »Er steht mit bösen Geistern und Dämonen in geheimer Relation, die bringen ihm das Gold.«
»Darüber ist mir nichts bekannt geworden«, beeilte sich der Philipp Lang zu versichern. »Es ist mancherlei wider ihn ausgesprengt worden, die Leute sind ihm neidig, reden viel. Es ist aber sein untertänigstes Bitten und Begehren, daß ihm verstattet sein sollt', Eurer Majestät mit allem, was er besitzt, beizustehen und zu dienen.«
»Will er die Taufe nehmen?« fragte der Kaiser.
»Nein, das will er nicht«, gab der Philipp Lang zur Antwort und rückte dem Kaiser, der sich zu Bett begeben hatte, die Kissen zurecht. »In diesem Punkt ist er den andern Juden gleich, die ein gar halsstarriges, heilloses und verdrießliches Volk sind, wie es schon die Heilige Schrift und die Chronika bezeugen.«
»Und doch ist unser Glaub' und Heil von den Juden hergeflossen«, sagte der Kaiser.
»Ja, und darum muß man sie so, wie sie eben sind, in christlicher Sanftmut gedulden«, meinte der Philipp Lang. »Eurer Majestät wünsch' ich eine gute Ruh'.«
Und auf einen Wink des Kaisers blies er die Lichter aus. Es gab außer dem van Delle noch einen anderen Goldmacher in der Prager Burg, den Anton Brouza, einen ungelehrten Mann, der sich aber auf die Kunst verstand, empfangene Stockstreiche in gemünztes Gold zu verwandeln. Dieser Brouza, ein Mann mit spitzem Kinn, plattgedrückter Nase und einem ehemals roten, aber jetzt ergrauten borstigen Schnurrbart, war der Hofnarr des verewigten Kaisers Maximilian gewesen, und der hatte an des Brouzas einfältigen Späßen, unflätigen Reden und sonderbaren Einfallen soviel Vergnügen gefunden, daß er seinem Sohn Rudolf, dem Erben des Thrones, das Versprechen abgenommen hatte, den Anton Brouza niemals aus dem Dienst zu entlassen oder ihn aus seiner Nähe zu entfernen. Nun wollt' aber Kaiser Rudolf II. keinen Hofnarren um sich dulden, und so hatte er den Brouza zum Ofenheizer in den kaiserlichen Gemächern gemacht, und der Brouza hatte sich darein gefügt, denn, so hatte er dem Kaiser gesagt, zwei Narren unter einem Dach, das täte nicht gut. Er fuhr aber fort, den Kaiser, wie er es gewohnt war, »Herrlein«, »Junkerlein« oder auch »Gevatter« zu nennen und mit ihm zu streiten und zu katzbalgen, und wenn's dem Kaiser dann zuviel wurde und er ihm mit dem Stock den Rücken zerbleute, dann war der Brouza zufrieden und hielt still, denn er hatte nun Ursach', vom Kaiser Geld oder andere Gaben für die erlittenen Streiche zu fordern. Und sobald er sah, daß des Kaisers Zorn verraucht war, begann er zu schreien und zu lamentieren und verschwor sich, er werde es droben dereinst seinem lieben verewigten Herrn klagen, wie es ihm in diesem Haus ergangen sei, das schlimmer sei als eines Henkers Gewölb', darinnen man die Leute foltert und tötet. Und das Drohen, Wehklagen und Lamentieren nahm kein Ende, bis der Kaiser,
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