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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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Oberststallmeister, zu sich befohlen und ihn hart angefahren, daß die Stallknechte ihm über den Weg liefen und ihn mit Bagatellen molestierten, er sollt' seine Leute besser in der Hand haben. Ein Koch, berichtete der Brouza, sei mit dem Bratspieß in der Hand aus der Küche gelaufen gekommen, habe sich ein dutzendmal um sich selbst gedreht und geschrien, man sollt' ihm doch um Christi willen helfen, der Bauch stünde ihm hinten, der Rücken vorn. Man habe ihn mit kaltem Wasser Übergossen, da sei er wieder zu Vernunft gekommen, habe Bauch und Rücken zu seiner Zufriedenheit placiert gefunden. Zu des verewigten Kaisers Zeiten, sagte der Brouza, und die Tränen liefen ihm aus den Augen, sei er, der Brouza, unter hundert Klugen ein Narr gewesen, jetzt aber bedürfte es unter hundert Narren eines Klugen und unter hundert Dieben eines ehrlichen Mannes.
    Der Jakobus van Delle erzählte dem Brouza, für den die Welt nicht weiterging als bis Beraun und von dort vielleicht bis Pisek und bis Rakonitz, von seinen Reisen in fremden Ländern. Wie er in Istanbul gewesen sei, der Metropole der Gelehrsamkeit, um dort die schönen alten Manuskripte zu studieren. Wie er dort Juden gefunden habe, die ihrem Gott abtrünnig geworden seien und einen anbeteten, den sie Asmodai, den Herrn der Geister, nannten. Wie er dem Ewigen Juden begegnet sei, der ihm wunderbare und sehr geheime Aufschlüsse über der Welten Lauf gegeben habe, ihn aber dann um ein kleines Zehr- und Reisegeld angegangen sei. Daß man den Felsen Sinai wohl sehen, aber nicht besteigen könne, denn er sei von riesenhaften weißen Skorpionen umzingelt und bewacht. Daß er ein Mittel zu finden sich getraue, um auf künstliche Art Salpeter zu erzeugen, aber dem Kaiser läge an Salpeter nichts, er wolle Gold. Wie er nach Venedig gegangen sei, um dem Geheimnis des rubinfarbenen Glases auf die Spur zu kommen, das die venezianischen Glasbläser besäßen, aber nicht preisgeben wollten. Welche Gefahren er dabei bestanden habe, wie ihm sein Vorhaben zuletzt mißlungen sei, und daß er dennoch hoffe, mit der Herstellung des rubinroten Glases dereinst zu triumphieren. Daß sein Leben allezeit großen Schwankungen unterworfen gewesen sei, sagte er, — und der Brouza übersetzte sich diese Worte in seine eigene Sprache — ja, meinte er, das kenne er, heute fetten Braten, morgen mageres Mus, so erginge es ihm auch, seit sein allergnädigster Kaiser Maximilian die Welt verlassen hätt'. Und wie ihm nun sein gewesener Herr wiederum in Erinnerung kam, begann er zu weinen, zu flennen und sich die Tränen aus den Augen zu wischen, und der van Delle mußt' ihm Trost zusprechen. Es sei nun einmal auf Erden so, sagte er, daß der Träger der Krone aller Kronen auch nicht länger Bestand hätt' als ein Bauernknecht.
    Nun hatte der Jakobus van Delle einstmals dem Kaiser, der in einer üblen Laune die Alchimie verunglimpft und die Alchimisten allesamt Schelme genannt hatte, mit heftigen Worten widersprochen und ihm zugesagt, er werde ihm am St. Wenzelstag, der in Böhmen als ein großes Freudenfest begangen wird, einen Barren Golds, zwölf Pfund schwer, überreichen als eine erste und geringe Probe dessen, was er in der Goldmacherkunst vermöge. Der Kaiser hatte ihn spöttisch gefragt, ob er sich getraue, seinen Kopf dafür einzusetzen, und der van Delle hatte gesagt, ja, das getraue er sich, und die Sache solle gelten. Er hatte das getan, weil er in seiner Ehre verletzt worden war, weil er nach den Mühen so vieler Jahre nun endlich auf dem rechten Wege zu sein glaubte, unedles Metall in edles zu verwandeln, vor allem aber, weil er für die kommenden Wochen eine besondere Konstellation der Gestirne vorhersah, die bisher nur selten sich ergeben hatte, dann aber ihm und seinem Werk immer im höchsten Maße förderlich gewesen war.
    Aber diese Konstellation ging vorüber, der allem Neuen mißgünstige Saturn war aus seiner fernen Abgelegenheit, dem schuppichten Schwanz der Wasserschlange, in seinem alten Bereich zurückgekehrt, aber das große Magisterium, die Transmutation der Elemente war dem van Delle nicht gelungen, ja, er sah sich von diesem Ziel weiter entfernt denn je. Schwer lastete das dem Kaiser verpfändete Wort auf seiner Seele. Er hatte gehandelt wie einer, der mit den Sporen klirrt und kein Roß im Stall hat. Und je näher der St. Wenzelstag herankam, desto mehr verfiel der Alchimist der Sorge, der Angst und dem Trübsinn. Bisweilen stürzte er sich wie von Furien gejagt auf seine

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