Nachts, wenn der Feuerteufel kommt
war
ganz Ohr — was bei ihm wörtlich zu nehmen ist, denn er verfügte über die
gewaltigsten Ohren der Schule, über Schalltrichter — groß wie die eines
afrikanischen Elefanten. Böse Zungen behaupteten das. Auch, daß er damit wedeln
könne — und Fliegen vertreiben. Da er sich dieser Entgleisung der Natur bewußt
war, trug er die Haare ziemlich lang, zumindest an den Seiten. Er bemühte sich,
seine Knorpelteller unter viel Haar zu verstecken. Doch der Erfolg war
entmutigend. Aus einer gewissen Entfernung sah es aus, als trüge er
selbstgestrickte Ohrenwärmer.
Ansonsten war er ein
gutaussehender, junger Mann mit einer hübschen Verlobten, der Assessorin
Martina Eggebrecht. Sie gab Englisch und Bio, er Mathe und Chemie. Anzumerken
wäre noch, daß er — was selten ist bei einem Menschen mit großformatigen Ohren
— absolut unmusikalisch war. Egal welches Lied er pfiff — es klang immer wie
der Parademarsch einer besiegten Armee.
„Gratuliere!“ sagte er. „Ist ja
toll. Das entschuldigt euch natürlich. Kann mir vorstellen, daß ihr noch ganz
schön aufgekratzt seid — aber jetzt müßt ihr ins Bett. Morgen ist ja auch noch
ein Tag.“
„Ein Samstag!“ sagte Klößchen.
„Gott sei Dank! Sams- und Sonntage sollten häufiger sein. Die übrigen könnte
ich verschlafen.“
„Gute Nacht!“ wünschte Guntram
und entfernte sich, obwohl noch keiner schlief, auf Zehenspitzen. Offenbar
eilten seine Gedanken voraus, und er schlich bereits zu seiner Verlobten.
Als Tarzan die verstaubten
Turnschuhe abstreifte, öffnete sich die Tür.
„Hallo, ihr!“
Erich Bosselt kam herein.
Er war 14, ein Klassenkamerad
aus der 9b, wohnhaft im WIGWAM, einer benachbarten Bude — und auf seine Weise
ein Genie. Er bastelte. Aber nicht mit Laubsäge und Alleskleber, sondern mit
Chemikalien und teilweise gefährlichen Zutaten. Das hielt er streng geheim. Nur
wenige Freunde wußten Bescheid, die Pauker nie. Denn seit Erich Kriminalromane
verschlang, galt seine Leidenschaft sogenannten Höllenmaschinen. Bomben, also.
Sprengsätzen, die man mit Funksignal aus der Ferne zündet — oder mit einem
Zeitzünder.
Anfangs hatte er die brisanten
( strengkräftigen ) Ergebnisse seiner Bastelei unter dem Bett aufbewahrt,
bis Tarzan dahinter kam und — trotz drahtseilstarker Nerven — fast in Ohnmacht
fiel. Erich sah ein, daß im Fall eines Unglücks das ganze Haus in die Luft
geflogen wäre — nicht nur sein Bett — , und er ließ sich bewegen, seine
Höllenmaschinen außerhalb menschenbewohnter Gebäude zu verstecken.
Er hatte ein Lausbubengesicht,
Sommersprossen, rote Haare und die Gewohnheit, seine stets rutschenden Hosen
mit einer Hand hochzuziehen.
„Hatte eben“, erklärte er
grinsend, „mein frisch gewaschenes Ohr an der Tür. Ist ja toll! Der
Feuerteufel, also! Und mit ‘ner Kerze! Das sind ja Methoden wie aus Opas
Zeiten. Wenn ich der Feuerteufel wäre, könnte ich die Schule abbrennen — und
alle würden glauben, es sei nicht Brandstiftung, sondern das Jüngste Gericht.
Aber dieser Bauer...“
„Ich geb dir fünf Mark, wenn
du’s tust“, bot Klößchen. Aber das war nicht ernst gemeint. Denn so ein
Anschlag hätte auch seinen Schokoladenvorrat vernichtet.
„Hahah!“ meinte Erich. „Das
wäre aber unterbezahlt. Jedenfalls wollte ich euch einladen. Übermorgen,
Sonntagfrüh, im Steinbruch draußen. Da laß ich ‘ne Bombe hochgehen, daß die
jungen Felsen zittern. Ihr kommt doch?“ Tarzan nickte. „Schon um für die nötige
Sicherheit zu sorgen. Absperrung der Gegend und so. Vergiß das nicht! Es
könnten Spaziergänger in der Nähe sein.“
„Auch mir liegt das
Allgemeinwohl am Herzen“, behauptete Erich. „Wir werden aufpassen wie die Schießhunde.“
Im Vorbeigehen klaute er
Klößchen ein Stück Schokolade. Dann wünschte er Gute Nacht und schwirrte ab.
Klößchen aß seufzend das letzte
Stück. Nach kurzem Überlegen kletterte er auf den Nachttisch. Jetzt war er groß
genug, um auf den Schrank zu greifen. Dort stand ein Karton. Zur Zeit enthielt
er 22 Tafeln Schokolade, zu anderen Zeiten mehr.
Mit kritischem Blick prüfte er
das Angebot. Er entschied sich für Vollmilch mit Trauben und Nuß.
Tarzan, der für Süßigkeiten
nichts übrig hatte, sah stirnrunzelnd zu.
„Die wievielte ist das heute?“
„Weiß nicht. Bin doch kein
Kleinigkeitskrämer, der jedesmal mitzählt.“
„Du zählst nicht mit, weil du
so weit gar nicht zählen kannst.“
„Oho! Wenn ich auch in Mathe
nicht gut
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