Nachts, wenn der Feuerteufel kommt
Saftheini hier?
Sein Unmut galt einem gewissen
Norbert Hecker. Der war 15 Jahre alt, machte dieses Jahr in der 9b eine
Ehrenrunde, hatte gute Aussichten, abermals hängen zu bleiben und mußte sich
mit äußerst geringer Beliebtheit begnügen — woran er freilich selbst Schuld
trug. Er war schleimig, liebenswürdig ins Gesicht, aber gehässig hinter dem
Rücken. Als Verräter war er regelrecht verschrien.
Tarzans Vermutung traf zu.
Norbert Hecker schob sein
Fuchsgesicht am Stamm der Linde vorbei. Er grinste, was er immer tat, wenn er
sich anbiedern wollte. Das Grinsen war falsch, die Verschlagenheit in seinem
Blick dagegen echt.
„Wir haben es nicht gern, wenn
man uns belauscht“, sagte Tarzan.
„Belauscht? Ich? Euch? Aber
nein!“ Vertraulich rückte er um den Stamm herum. „Ihr habt so laut geredet — da
muß man ja mithören, wenn man so nahe ist.“
Er kratzte sich an der Brust.
Sie schimmerte so weiß wie der Bauch eines Herings. Schuppen hatte Norbert
Hecker übrigens auch. Sein krauses Haar vermißte jegliche Pflege; und wenn er
mal zum Frisör ging, dann grauste es den sicherlich.
Gabys Miene kühlte ab. Sie
liebte Hecker wie einen entzündeten Weisheitszahn.
„Nahe sind sich hier alle“,
sagte Tarzan. „Trotzdem macht keiner lange Ohren!“
„Das liegt doch nur daran“,
verteidigte sich Norbert Hecker, „weil ich sozusagen vom Fach bin. Aus der
Branche. Will sagen: Mein Alter ist Versicherungsinspektor. Hauptsächlich
schließt er Brandversicherungen ab. Für die SLV - die Sach- und
Lebens-Versicherungs AG. Na, und wenn ich was von Brand und Feuer höre, kriege
ich automatisch lange Ohren. Vor allem, weil’s hier in letzter Zeit dauernd
brennt. Mein Alter ist stinksauer. Die SLV muß blechen, daß es nur so raucht.
Sind ja alles Kunden gewesen von meinem Alten.“
„Aha!“ sagte Tarzan.
„Habe ich richtig gehört? Fiel
das Wort Feuerteufel?“ Norberts Blick lauerte wie eine Katze vor dem Mauseloch.
„Wir glaubten, wir hätten ihn.
War aber ein Irrtum.“
Es wäre unkameradschaftlich
gewesen, hätten sie ihm nichts erzählt. Tarzan überwand sich und berichtete mit
knappen Worten, was sie gestern abend erlebt hatten.
„Donnerwetter!“ Norbert
staunte. „Das ist ja ein Ding. Ein Jammer, daß es nicht der richtige war.“
Gaby stand auf. „Ich gehe jetzt
ins Wasser“, verkündete sie.
Ihre drei Freunde schlossen
sich an. Norbert Hecker verspürte keine Lust und zog sich wieder auf seinen
Platz zurück.
Nachdem sie sich zur Abkühlung
geduscht hatten, rannten die vier in den ersten Teich. Sauberer Kies bedeckte
den Boden, der aber bald abschüssig wurde. Das Wasser war kalt und sah klar aus
— trotz seiner Bewohner.
Gaby trug eine rote Badekappe, kraulte
geschmeidig zur Mitte des Teiches, planschte umher und hielt Ausschau nach
Tarzan, der plötzlich nicht mehr zu sehen war. Als sie am Fuß gepackt wurde,
schnellte sie erschrocken empor. Prustend tauchte Tarzan neben ihr auf.
„Unten ist das Wasser noch
kälter“, rief er. „Außerdem gibt es gefährliche Ungeheuer: Karpfen, so groß wie
ein Waschtrog.“
„Und Seeschlangen!“ nickte
Gaby. „Und Kraken! Und dort kommt Moby Dick, der weiße Wal.“
Sie meinte Klößchen, der sich
schnaufend durchs Wasser kämpfte.
Karl hatte vergessen, seine
Brille abzunehmen, und war zu ihrem Liegeplatz zurückgerannt.
„Wenn du mich tauchst“, wurde
Tarzan von Gaby gewarnt, „beiße ich dich in den Arm.“
„Also stimmt’s doch mit den
gefährlichen Ungeheuern“, meinte Klößchen. „Mag ja sein, daß ich der weiße Wal
bin. Aber dann bist du eine Seeschlange, Gaby.“
Tarzan krauste die Stirn. Gaby
als Schlange zu bezeichnen, erschien ihm wenig schmeichelhaft — obschon
Klößchen das keineswegs böse gemeint hatte.
„Sagen wir, sie ist eine
bissige Meerjungfrau!“
„Klar!“ rief Klößchen. „Fehlt
nur noch der Fischschwanz.“
Gaby hatte sich auf den Rücken
gelegt und plätscherte mit Händen und Füßen.
„Meerjungfrau oder nicht“,
sagte sie. „Jedenfalls beiße ich nicht jeden.“
Klößchen fand das vieldeutig,
riß lachend den Mund auf, machte eine falsche Bewegung — und schluckte einen
halben Liter Wasser.
Das meiste spuckte er aus. Dann
würgte er krampfhaft. Entsetzt weiteten sich seine Augen.
„Ist dir was?“ fragte Tarzan.
„Elender Mist!“ Klößchen verzog
das Gesicht. Er schluckte, als hätte er einen Kloß im Hals.
„Hab dich nicht so! Das bißchen
Wasser!“
„Wasser?
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