Nachts, wenn der Feuerteufel kommt
grüngelbe Krawatte paßte nicht zu dem
dunkelblauen Anzug. Daß sich Herr Mölln in seinem Sonntagsstaat nicht wohlfühlte,
sah man. Gewöhnt war er sicherlich nur an Arbeitskleidung.
Unwirsch redete er seine Frau
an, bevor er sich hinters Lenkrad setzte. Sie mußte auf den Nebensitz rücken.
Ihre enttäuschte Miene verriet, daß sie gern mal gefahren wäre — wenigstens am
Sonntag.
Als der VW außer Sicht war,
fragte Klößchen: „Weshalb hast du dich nach der Tante erkundigt?“
„Überleg doch! Für die Möllns
war das die letzte Gelegenheit, an ein Telefon zu kommen und den anonymen Anruf
bei den Krugs zu machen. Später im Krankenhaus ist das nicht mehr geschehen —
nicht mit den Verletzungen!“
„Du hast recht“, sagte Karl.
„Aber — wenn sie nun bei der Frau Fromme nicht telefoniert haben?“
„Dann waren sie’s nicht.“
Tarzan schwang sich aufs Rad. „Um das zu klären, gibt es nur eins: Auf nach
Pönsdorf!“
„Unmöglich!“ rief Klößchen.
„Das kann ich als Tierfreund nicht verantworten. Oskars Beine werden immer
kürzer. Es ist viel zu weit.“
„Du protestierst ja nur“, sagte
Gaby, „weil du selbst zu faul bist. Oskar ist ein leidenschaftlicher Langstreckenläufer
— wie alle Cocker Spaniels. Nimm dir ein Beispiel!“
„Aber dann mit allen
Konsequenzen (Folgen)“ , meinte Klößchen verschmitzt. „Ab sofort möchte
ich gekrault werden. Und daß man mich kämmt. Und daß ich mein Futter...“
„...zugeteilt kriege!“ lachte
Gaby. „Oder denkst du, Oskar darf sich so hemmungslos vollpropfen wie du? Dann
würde ihm bald der Bauch auf dem Boden schleifen.“
„Na ja“, Klößchen grinste.
„Dann bleibe ich doch lieber bei meinen errungenen Rechten. Und bei meiner
Schokolade.“
In gemütlichem Tempo fuhren sie
nach Pönsdorf.
Die Sonne stand hoch. Über den
Feldern flimmerte die Luft. Oskar hechelte, rannte aber begeistert neben Gabys
Rad.
Klößchen hatte seine
Sonnenbrille aufgesetzt und lutschte die letzten Schokoladenkrümel aus dem
Silberpapier, bevor er es wegwarf.
„Sowas nennt man
Umweltverschmutzung!“ rief Gaby empört. „Du hättest warten können bis zum
nächsten Papierkorb.“
Schuldbewußt zog Klößchen den
Kopf ein. „Meine Gedanken waren woanders“, entschuldigte er sich.
„Wahrscheinlich bei der
nächsten Tafel“, meinte Gaby.
Pönsdorf hüllte sich in
sonntägliche Ruhe. Nur in den Ställen klirrten Ketten; und ab und zu hörte man
ein Stampfen, wenn eine Kuh oder ein Pferd hin- und hertraten.
Tarzan fragte einen Jungen, ob
er wisse, wo Frau Fromme wohne, und der zeigte den Weg.
Es war eine Nebenstraße, die
auf freies Feld führte, dort das vorletzte Haus in einem kleinen Garten.
Sonnenblumen, an die zwei Meter hoch, standen Spalier. Heckenrosen
überwucherten den Zaun. In Blumenkästen drängten sich Geranien. Der Sommerwind
bauschte die Gardine hinter einem geöffneten Fenster.
Auf der rot gestrichenen
Holzbank neben der Haustür saß eine Frau. Sie las Zeitung und kniff die Augen zusammen,
weil die Sonne blendete. Die Frau sah eher städtisch aus — in ihren weißen
Leinenhosen und der saloppen Bluse. Die Nägel der nackten Füße waren lackiert;
und an den Händen klimperte ziemlich viel Schmuck. Das grauschwarze Haar trug
sie wie Gaby — als Pferdeschwanz. Das faltenreiche Gesicht war hager und
sonnenverbrannt.
Sie blickte auf, als die Kinder
am Zaun hielten.
„Guten Tag“, wünschte Tarzan.
„Sind Sie Frau Fromme?“
Sie nickte.
„Wir möchten Sie um eine
Auskunft bitten.“
„Aber gern“, sie hatte eine
rauchige Stimme, faltete jetzt die Zeitung zusammen und legte sie neben sich.
„Wir hörten, daß Ihre Nichte
und Monika Lind gestern bei Ihnen waren. Von ihren Freunden wurden sie hergebracht
— von Hartmut und Helmut Mölln. Haben die beiden bei Ihnen vielleicht
telefoniert, oder sind sie gleich weitergefahren?“
Die Frau musterte ihn. Ihre
Miene war ernst, aber nicht unfreundlich.
„Weshalb willst du das wissen?“
Mit der Frage hatte Tarzan gerechnet.
Er hielt es für das beste, mit offenen Karten zu spielen.
„Wir hatten eine
Auseinandersetzung mit den Möllns und vermuten, daß sie uns mit einem anonymen
Anruf einen üblen Streich gespielt haben. Dieser Anruf geschah gestern am
späten Nachmittag. Aber die Möllns hatten nur bei Ihnen hier Gelegenheit zum
Telefonieren. Denn kurz darauf sind beide mit ihren Motorrädern verunglückt.
Seitdem liegen sie im Krankenhaus — mit Armbrüchen,
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