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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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nichts?«
    »Nein. Nur ein paar Mal gelacht. Wie ein Idiot, möchte ich sagen. Betrunken war er übrigens auch.«
    »Ihre Handtasche hat er mitgenommen?«
    »Ja, aber erst, als er schon im Fliehen war. Ich glaube, er hatte es auf etwas anderes abgesehen als auf die Tasche.«
    »Wie kommen Sie darauf, Frau Pohl?«
    »Ich weiß nicht recht«, entgegnet die Vernommene zögernd. »Die Tasche hätte er gleich haben können … Das war kein Raub, nein. Das war ein Mörder, Herr Kommissar.«
    Kriminalkommissar Hintz verabschiedet sich. Noch in der Nacht ruft er seine Kollegen vom Morddezernat an. Er teilt Frau Pohls Überzeugung, daß der Anschlag nicht ihrer Tasche, sondern ihrem Leben galt.
    Diesmal schiebt man bei der Berliner Mordkommission den Hinweis von Kommissar Hintz nicht so einfach beiseite. Zu lange ist die Polizeizentrale in ihren Nachforschungen ohne Erfolg geblieben, zu viele ungeklärte Morde stehen zu Buch, zu oft hat sich ein Mörder im Nichts aufgelöst. So entschließt sich die Mordkommission, die Beschreibung des Täters an alle Polizeireviere Berlins durchzugeben.
    Die Theorien des Reichskriminalpolizeiamts und der Berliner Mordkommission gehen auseinander. Das Reichskriminalpolizeiamt, die der SS unterstellte oberste Polizeibehörde Deutschlands, glaubt immer noch, daß dreißig, vierzig Lustmörder, die durch einen Zufall den Maschen des Polizeinetzes entgingen, in Deutschland umherlaufen. Die Berliner Mordkommission hingegen ist überzeugt, daß es sich zumindest in Berlin um einen einzigen Frauenmörder handelt. Nach ihm fahndet sie ebenso kritisch wie heimlich.
    Aber da gibt es Schwierigkeiten. Die Zeitungen können in die Fahndungsaktion kaum eingeschaltet werden. Auch Plakate sieht man nur selten an den Anschlagsäulen. Ein großer Teil der erfahrenen Polizeibeamten ist an der Front oder in die Provinz abgestellt. Hingegen verrichten viele Reservisten, die für die Wehrmacht untauglich sind, Dienst als Hilfspolizeibeamte.
    Man vergleicht die Akten. Nur die Berliner Akten. Viele Beschreibungen widersprechen sich, aber immer wieder tauchen übereinstimmende Zeugenaussagen auf: mittelgroßer Mann, kräftig, nicht korpulent, breites gewöhnliches Gesicht, kurze Haare um die Stirnglatze, tapsige Schritte, ordinäre Ausdrucksweise, Berliner Dialekt, zerschlissener, dunkelblauer Anzug – das ist ein Nenner, auf den sich viele Zeugenaussagen bringen lassen.
    Einen solchen Mann muß es in Berlin geben, und der Mann, auf den diese Beschreibung zutrifft, muß der Mörder sein, der fünf-, sechs-, vielleicht siebenfache Mörder.
    Am 30. September 1942 ist es wieder soweit. Wieder rückt die Berliner Mordkommission aus. Nach Charlottenburg, in die Bleibtreustraße 40. Das Opfer heißt Anna Soltys. Die Frau stammt aus Lemberg und ist 31 Jahre alt. In ihrer Wohnung erwürgt. Missbraucht. Getötet mit einer mehrfach verknüpften Radio-Verlängerungsschnur. So fand man sie.
    Die Zeugenaussagen sind ohne Wert. Diesmal hat kein Mensch den Mörder gesehen. Die ihn gesehen haben wollen, faseln. Die Fahndung geht weiter. Soweit sie die Reichshauptstadt betrifft, ganz auf der richtigen Spur. Allerdings noch ohne Erfolg. Die Berliner Mordkommission weiß, daß der Mörder etwa dreißig Jahre alt sein muß, daß er aus Berlin stammt, daß er in Berlin wohnt. Daß er vorwiegend Frauen mordet, daß er sich in ihre Wohnungen schleicht, sie erwürgt oder erschlägt, missbraucht und beraubt. Daß er in einer Weise mordet, die einigen Schulweisheiten der Kriminalistik ins Gesicht schlägt:
    Ein Lustmörder raubt nicht, so lernt man auf der Polizeischule.
    Stimmt nicht immer, sagt die Berliner Mordkommission.
    Ein Triebverbrecher mordet stets nach derselben Methode.
    Stimmt nicht immer, sagt die Berliner Mordkommission.
    Ein Sexualverbrecher mordet in regelmäßigen Abständen.
    Auch das ist für die Berliner Mordkommission keine unabänderliche Tatsache.
    Vom 13. Januar 1941 bis zum 15. Oktober 1942 arbeitet der doofe Bruno bei der Bäckerei-Einkaufsgenossenschaft als Ausfahrer. Die Drohungen der Polizei und die Ermahnungen seiner Mutter sind nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben. Für diese Zeit unterlässt er seine Streifzüge durch Deutschland und erscheint regelmäßig zur Arbeit. Bei aller Tölpelhaftigkeit weiß der Mörder ganz genau, wie nahe er dem Arbeitslager ist.
    Bruno Lüdke hat keine Zeit mehr zum Morden. Wenigstens keine Zeit zu den Verbrechen, wie er sie bisher verübte, irgendwo in Deutschland, wohin er

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