Nachts wenn der Teufel kam
zutraulich ist, sitzt Kriminalkommissar Franz allein mit ihm bei Tisch. Sie rauchen noch eine Zigarette, bevor es mit der Vernehmung weitergeht. Die anfängliche Spannung hat etwas nachgelassen. Ein Fall gleicht dem andern. Und in der Rekonstruktion wirken die Verbrechen abgestanden und monoton. Mehr aus Gewohnheit sagt der Kriminalbeamte zu Lüdke: »Du machst uns keinen Ärger, nicht, du bleibst bei der Wahrheit? Wenn du uns anlügst, müssen wir alle Überstunden machen. Und keiner arbeitet doch gern.«
»Det kann ick jut vastehn«, erwidert Lüdke.
»Wenn du dich nicht genau erinnerst, dann sag lieber gar nichts.«
Lüdke grinst.
»Ick hab' euch noch 'ne janze Menge zu sagen«, entgegnet er. »Manchmal seid ihr schon richtig doof. Ihr schaut immer nur nach den Weibern. Ihr denkt wohl, der Bruno kann nur Weiber abmurksen?«
Franz ist sofort hellwach. Im Nu fällt die schläfrige Nachtischstimmung von ihm ab. Natürlich, durchzuckt es ihn. Warum haben wir immer nur nach Morden an Frauen Ausschau gehalten. Der Kerl kann noch ganz andere Sachen auf dem Gewissen haben.
Schon spricht Lüdke weiter: »Wissen Se, Herr Kommissar, det mit den Weibern ist eene Sache, und det mit den Männer ist 'ne andere Sache. Weil Se so jut zu mir sind, will ick Ihnen det mal sajen. Det war so: Ick gloobe, ick war damals 20 Jahre alt, 'ne Jeschichte mit 'nem Förster, den hab' ick kaltjemacht und seine Olle ooch, und det Haus hab' ick anjezündet. Dem hab' ick es jejeben. Det war een janz fieser Hund.«
»Wo war das?« unterbricht ihn der Kriminalkommissar schnell.
»Det erinnere ick mir nicht jenau. Ick weeß nur noch, det der Kerl viel Jeld jehabt hat. Det hab' ick alles mitjenommen.«
Franz stellt Frage um Frage. Aber aus Lüdke ist nicht mehr viel herauszubringen.
»Wenn Se mir hinfahren, zeije ick Ihnen alles. Aber det müssen Se schon selbst finden, wo det war.«
Eilmeldungen an alle Polizeidienststellen: Wo wurde zwischen 1928 und 1932 ein Försterehepaar ermordet, wo, wann und unter welchen Umständen?
Die Antwort kommt postwendend. Wenn Bruno Lüdke nicht fantasiert hat, dann kann es sich nur um den Fall Grimm handeln. Um den Fall des Forstmeisters Paul Grimm, geboren am 5. Juli 1857 in Saalburg, und seine Frau Elisabeth, geborene Wiedemann, geboren am 1. Februar 1894 in Haynsburg. Die Akten einer unerklärlichen und deshalb ungeklärten menschlichen Tragödie liegen auf dem Schreibtisch des Kriminalkommissars …
Nein, beliebt ist der Forstmeister nicht. Seit fünf Jahren ist er pensioniert, aber er benimmt sich, als ob er noch im Dienst wäre. Bei jedem Wetter geht er in den Wald, wartet hinter Hecken, hinter Bäumen auf kleine und große Sünder, auf Forstfrevler und Wilddiebe. Dutzendweise zeigt er Leute an, egal, ob er sie kennt oder zum ersten Mal sieht, ob die Mütter oder Frauen mit Tränen in den Augen um Nachsicht bitten. Nachsicht kennt er nicht. Er kennt nur Pflichtgefühl und erwartet es von allen.
Seit Jahren werden Drohungen und Verwünschungen gegen ihn ausgestoßen. Auch jene Leute, die selten mit ihm in Berührung kommen, mögen ihn nicht besonders gern. Sie halten seinen Eifer für übertrieben, für Wichtigtuerei. Vor allem nach der Pensionierung.
Und da geschieht es. In der Nacht vom 5. auf den 6. November 1928. Am Nachmittag überrascht Grimm einen kleinen, untersetzten Mann in einer frisch angepflanzten Parzelle, deren Betreten verboten ist.
»Sie kommen mit!« fährt er den Unbekannten an.
»Sie können mich mal«, entgegnet der Mann.
Der kräftige, rüstige Forstmeister geht auf ihn zu und versetzt ihm ein paar Ohrfeigen. Der Angegriffene will sich auf ihn stürzen, aber in diesem Augenblick kommen Waldarbeiter, und der Fremde flüchtet.
Beim Abendessen erzählt Paul Grimm den Vorfall seiner um fast 40 Jahre jüngeren Frau. Dann geht er schlafen. Um fünf, sechs Uhr ist er oft schon im Wald unterwegs.
Ein Mann schleicht sich auf das Haus zu. Lautlos. Schlägt eine Scheibe ein. Schwingt sich durch den Rahmen. Was dann geschah, hält das Protokoll fest:
›Der Ehemann lag mit eingeschlagenem Schädel lang ausgestreckt unter der verkohlten Bettdecke. Er war anscheinend im Schlaf erschlagen worden. Die Ehefrau lag in Bauchlage vor ihrem ausgebrannten Bett und war vom Täter vor dem Bett niedergeschlagen und erwürgt worden. Am Hals der Leiche waren deutliche Würgespuren sichtbar. Alle Schränke und sonstige Behältnisse in der Wohnung waren durchwühlt. Aus einem Tresor in dem
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