Nachts
was ihnen allen hätte einfallen müssen, wenn man bedachte, was die Sun für Bilder produzierte, aber in Wirklichkeit war es so erstaunlich gar nicht. Sie waren keine religiöse Familie; sie gingen alle drei Jahre an Heiligabend in die Kirche, wenn Tante Hilda die Feiertage bei ihnen und nicht bei anderen Verwandten verbrachte, aber das war auch schon alles, abgesehen von einer Hochzeit o der Beerdigung dann und wann. Wenn jemand von ihnen wahrhaftig an die unsichtbare Welt glaubte, dann war es Megan, die nicht genug von wandelnden Toten, lebenden Puppen und Autos, die zum Leben erwachten und Leute überfuhren, die sie nicht leiden konnten, bekommen konnte.
Kevins Eltern hatten keinerlei Neigung zum Bizarren. Sie lasen ihre Horoskope in der Tageszeitung nicht; sie hielten Kometen oder Sternschnuppen nie für Zeichen des Allmächtigen; wo ein anderes Paar das Gesicht von Jesus Christus auf einer Enchilada sah, sahen John und Mary Delevan lediglich eine verkochte Enchilada.
Es war nicht überraschend, daß Kevin, der den Mann im Mond nie gesehen hatte, weil weder seine Mutter noch sein Vater sich die Mühe gemacht hatten, ihn darauf hinzuweisen, ebenfalls außerstande gewesen war, die Möglichkeit einer übernatürlichen Manifestation in einer Kamera zu sehen, die immer nur dasselbe Bild machte, drinnen oder draußen, selbst in der Dunkelheit seines Schlafzimmerschranks, bis seine Schwester, die einmal einen FanBrief an Jason geschrieben und als Antwort das Hochglanzfoto eines Mannes mit blutiger Hockeymaske bekommen hatte, ihn förmlich mit der Nase darauf stieß.
Aber nachdem er einmal auf die Möglichkeit hingewiesen worden war, fiel es ihm schwer, nicht mehr daran zu denken; wie Dostojewski, der kluge alte Russe, einmal zu seinem jüngeren Bruder ge
sagt hatte, als sie beide noch kluge junge Russen gewesen waren: Versuch mal, die nächsten dreißig Sekunden nicht an einen blau
äugigen Eisbären zu denken.
Es war schwer.
Daher verbrachte er zwei Tage damit, um diese Säulentafel in sei
nem Verstand zu kreisen, versuchte Hieroglyphen zu lesen, die nicht einmal da waren, um der Barmherzigkeit willen, und ver
suchte sich einig zu werden, was er meh r wollte: die Kamera oder die Möglichkeit einer Manifestation. Oder, um es anders auszu
drücken, ob er die Sun wollte oder den Mann im Mond.
Am Ende des zweiten Tages (selbst bei Fünfzehnjährigen, die eindeutig für das vernünftige Lager vorherbestimmt sind, dauern Dilemmas selten länger als eine Woche) hatte er sich entschieden, den Mann im Mond zu nehmen zumindest vorläufig.
Zu dieser Entscheidung kam er während der siebten Unterrichts
stunde, und als die Glocke läutete und das Ende der Schulstun de wie des gesamten Unterrichts verkündete, ging er zu Mr. Baker, dem Lehrer, den er am meisten respektierte, und fragte ihn, ob er jemand wüßte, der Kameras repariert.
»Nicht wie ein normaler Fotohändler«, erklärte er. »Mehr wie je
mand Sie wissen schon der auch denkt.«
»Einen FStopPhilosophen?« fragte Mr. Baker. Daß er solche Sa
chen sagte, war ein Grund, weshalb Kevin ihn respektierte. Es war einfach cool, so etwas zu sagen. »Ein Weiser der Blende? Ein Alchi
mist der Belichtung? Ein «
»Ein Typ, der viel gesehen hat«, sagte Kevin drängend.
»Pop Merrill«, sagte Mr. Baker.
»Wer?«
»Ihm gehört das Emporium Galorium.«
»Oh. Das.«
»Ja«, sagte Mr. Baker grinsend. »Das. Das heißt, wenn du nach einer Art selbstgemachtem Mr. Tausendsassa suchst.«
»Ich glaube, genau danach suche ich.«
»Er hat fast alles da drinnen«, sagte Mr. Baker, und dem konnte Kevin zustimmen. Obwohl er noch nie drinnen gewesen war, kam er fünf, zehn, vielleicht sogar fünfzehnmal pro Woche dort vorbei (in einer Stadt von der Größe Castle Rocks kam man an allem oft vorbei, was Kevin Delevans bescheidener Meinung nach ziemlich langweilig wurde) und hatte schon durch die Fenster gesehen. Es schien buchstäblich bis unter die Dachbalken mit Kram vollgestopft zu sein, meistens mechanischem. Aber seine Mutter nannte es mit schniefender Stimme einen Trödelladen, und sein Vater sagte, Mr. Merrill würde sein Geld damit verdienen, die Sommergäste auszunehmen<, und daher war Kevin nie drinnen gewesen.
Wäre es nur ein >Trödelladen< gewesen, wäre er vielleicht reingegangen ; sogar mit ziemlicher Sicherheit. Aber etwas zu tun, was die Sommergäste taten, oder einen Laden zu besuchen, wo Sommergäste >ausgenommen< wurden, war undenkbar. Eher hätte er
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