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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Weit linksaußen. Kevin hatte eine intuitive Ader in sich, die seinen Vater stets verwirrt und vor Rätsel gestellt hatte. Er wußte nicht, woher sie kam, aber er war sicher, nicht von ihm.
    Er seufzte und sah die Kamera wieder an. Ein Stück schwarzes Plastik war an der linken Seite des Gehäuses abgesplittert, und in der Mitte der Bildsucherlinse befand sich ein Riß, der sicher nicht dicker als ein Menschenhaar war. Der Riß war so dünn, daß er völlig verschwand, wenn man die Kamera ans Auge hob, um das Bild zu schießen, das man nicht bekommen würde was man statt dessen bekam, das lag auf dem Kaffeetisch, und im Eßzimmer befanden sich bestimmt noch fast ein Dutzend weitere Beispiele.
    Was man bekam, das sah aus wie ein Flüchtling aus dem hiesigen Tierasyl.
    »Na gut, und was, zum Teufel, willst du damit machen?« fragte er. »Ich meine, laß uns vernünftig darüber nachdenken, Kevin. Was für einen praktischen Nutzen hat eine Kamera, die immer wieder dasselbe Bild macht?«
    Aber Kevin dachte nicht an den praktischen Nutzen. Eigentlich dachte er überhaupt nicht. Er fühlte und erinnerte sich. In dem Augenblick, als er den Auslöseknopf gedrückt hatte, hatte ein deutlicher Gedanke
    (meins)
    seinen ganzen Kopf ausgefüllt, so wie der kurze weiße Blitz seine Augen. Dieser Gedanke, vollständig und doch irgendwie unerklär
    lich, war von einer mächtigen Mischung von Emotionen begleitet gewesen, die er immer noch nicht völlig identifizieren konnte
    aber er glaubte, daß Angst und Aufregung vorherrschend gewesen waren.
    Und außerdem wollte sein Vater immer vernünftig über alles nachdenken. Er würde Kevins Intuitionen oder Megs Interesse an Killerpuppen namens Chucky nie verstehen.
    Meg kam mit einer riesigen Schüssel Eiskrem zurück und ließ den Film weiterlaufen. Jetzt versuchte jem and, Chucky mit einem Flammenwerfer zu grillen, aber er ging trotzdem weiter und fuch
    telte mit dem Messer. »Streitet ihr zwei immer noch?«
    »Wir führen eine Diskussion«, sagte Mr. Delevan. Er hatte die Lippen fester denn je zusammengekniffen.
    »Ja, klar«, sagte Meg, die sich wieder auf den Boden setzte und die Beine überkreuzte. »Das sagst du immer.«
    »Meg?« fragte Kevin höflich.
    »Was?«
    »Wenn du mit einem Zwerchfellriß soviel Eis reinschlingst, wirst du heute nacht eines qualvollen Todes sterben. Natürlich könnte dein Zwerchfell gar nicht gerissen sein, sondern «
    Meg streckte ihm die Zunge heraus und wandte sich wieder dem Film zu.
    Mr. Delevan sah seinen Sohn mit einer Mischung aus Zuneigung und Verzweiflung an. »Hör zu, Kev es ist deine Kamera.
    Keine Diskussion darüber. Du kannst damit machen, was du willst.
    Aber «
    »Dad, interessiert dich denn überhaupt nicht, warum sie das macht?«
    »Nee«, sagte John Delevan.
    Jetzt war es an Kevin, die Augen zu verdrehen. Derweil sah Mrs.
    Delevan von einem zum anderen wie jemand, der einem besonders guten Tennisspiel beiwohnt. Was nicht so fern der Wahrheit war.
    Sie hatte jahrelang zugesehen, wie ihr Sohn und sein Vater die Klingen gekreuzt hatten, und es war ihr noch nicht langweilig geworden. Sie fragte sich, ob sie je herausfinden würden, wie ähnlich sie sich im Grunde genommen waren.
    »Gut, ich denke darüber nach.«
    »Prima. Du sollst nur wissen, daß ich morgen bei Penney’s vorbeifahren und das verdammte Ding umtauschen kann das heißt, wenn du es möchtest und sie einverstanden sind, ein beschädigtes Stück zurückzunehmen. Wenn du sie behalten willst, auch gut. Ich wasche meine Hände in Unschuld.« Er rieb heftig die Hände aneinander, um das zu unterstreichen.
    »Ich nehme an, meine Meinung wollt ihr nicht hören«, sagte Meg.
    »Stimmt«, sagte Kevin.
    »Selbstverständlich wollen wir sie hören, Meg«, sagte Mrs. Delevan.
    »Ich glaube, es ist eine übernatürliche Kamera«, sagte Meg. Sie leckte Eiskrem vom Löffel. »Ich glaube, sie ist eine Manifestation.«
    »Das ist völlig lächerlich«, sagte Mr. Delevan auf der Stelle.
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte Meg. »Es ist die einzig logische Erklärung. Du bist anderer Meinung, weil du überhaupt nicht an so etwas glaubst. Wenn dir je ein Geist erscheinen würde, Dad, würdest du ihn überhaupt nicht sehen. Was meinst du, Kev?«
    Einen Augenblick antwortete Kevin nicht konnte nicht antworten. Ihm war, als wäre wieder ein Blitzlicht losgegangen, diesmal hinter seinen Augen, nicht davor.
    »Kev? Erde an Kevin!«
    »Ich glaube, da könntest du gar nicht so unrecht haben,

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