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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und ihn gebeten, irgend etwas aufzunehmen, was ihm gefiel.
    Emory Chaffee grinste sein abstoßendes Zahnlückengrinsen und drehte die Polaroidkamera in Pops Richtung.
    »Außer mir«, sagte Pop hastig. »Ich würde lieber eine Schrotflinte auf meinen Kopf richten lassen als diese Kamera.«
    »Wenn Sie etwas verkaufen wollen, laufen Sie echt zu Bestform auf«, sagte Chaffee bewundernd, aber er hatte dennoch gehorcht und die Sun 660 zum großen Panoramafenster mit Blick auf den See gerichtet, einem Blick, der heute noch so reich war, wie die Familie Chaffee es in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gewesen war, goldene Jahre, die um 1970 allmählich irgendwie zu Blech geworden waren.
    Er drückte auf den Auslöser.
    Die Kamera surrte.

    Pop zuckte zusammen. Er hatte festgestellt, daß er inzwischen jedesmal zusammenzuckte, wenn er dieses Geräusch hörte dieses quietschige kleine Surren. Er hatte versucht, sich dieses Zucken wieder abzugewöhnen, mußte aber zu seinem Mißfallen feststellen, daß er es nicht konnte.
    »Ja, Sir, ein verdammt häßlicher Köter!« wiederholte Chaffee, nachdem er das fertig entwickelte Bild studiert hatte, und Pop freute sich auf gallige Weise, daß das widerliche JohowassindwirPfundskerleZahnlückengrinsen endlich verschwunden war. Wenigstens das war der Kamera gelungen.
    Doch es war auch deutlich, daß der Mann nicht dasselbe sah wie er, Pop. Pop hatte sich auf diese Eventualität vorbereiten können; dennoch war er hinter seiner gleichgültigen Yankeemaske zutiefst erschüttert. Er glaubte, wenn Chaffee die Gabe gewährt worden wäre (denn genau das schien es zu sein) zu sehen, was Pop sah, wäre er wahrscheinlich schnell wie der Blitz zur nächstbesten Tür gerannt.
    Der Hund nun, eigentlich war es kein Hund mehr, aber irgendeinen Namen mußte man ihm schließlich geben hatte seinen Sprung auf den Fotografen noch nicht begonnen, aber er bereitete sich darauf vor; er spreizte die Hinterbeine und drückte sie gleichzeitig auf den rissigen, anonymen Gehweg, und zwar auf eine Weise, die Pop an einen aufgemotzten Rennwagen erinnerte, der zitterte und in den letzten Sekunden der Rotphase einer Ampel kaum von der Kupplung im Zaum gehalten werden kann; die Nadel des Drehzahlmessers bereits auf 2000, der Motor durch den verchromten Auspuff dröhnend und die fetten Reifen mit extrem tiefem Profil bereit, einen innigen Kuß auf den Asphalt der Straße zu rauchen.
    Das Gesicht des Hundes war überhaupt nicht mehr als solches zu erkennen. Es hatte sich zu einem gräßlichen GruselkabinettDing verzerrt, in dem es nur noch ein einziges dunkles und böses Auge zu geben schien, weder rund noch oval, sondern irgendwie verlaufen, wie ein Eidotter, in den man mit den Zinken einer Gabel gestochen hat. Seine Nase war ein schwarzer Haken, in den rechts und links zwei tiefe, geblähte Löcher gebohrt worden waren. Und kam da Rauch aus diesen Nasenlöchern wie Dampf aus den Öffnungen eines Vulkans? Vielleicht vielleicht war das aber auch nur Einbildung.
    Egal, dachte Pop. Drück einfach weiter den Auslöser, oder laß ihn von Leuten wie diesem Rindvieh drücken, und du wirst es herausfinden, richtig?
    Aber er wollte es nicht herausfinden. Er betrachtete das schwarze, Mörderische Ding, in dessen Fell sich vielleicht zwei Dutzend Kletten verfangen hatten, das Ding, das strenggenommen eigentlich gar kein Fell mehr hatte, sondern etwas wie lebende Stacheln und einen Schwanz, der mehr einer mittelalterlichen Waffe glich. Erbetrachtete den Schatten, den ausgerechnet ein rotznäsiger Bengel hatte identifizieren müssen, und sah, daß auch dieser sich verändert hatte. Eines der Schattenbeine schien einen Schritt zurückgewichen zu sein einen ziemlich großen Schritt, selbst wenn man die untergehende Sonne (die wirklich unterging; irgendwie war Pop zur Überzeugung gekommen, daß sie unterging, daß es Nacht wurde in jener Welt da drüben, nicht Tag) mit in Betracht zog.
    Der Fotograf in jener Welt da drüben hatte endlich festgestellt, daß sein Motiv nicht die Absicht hatte, für eine Porträtaufnahme sitzen zu bleiben; das war nie sein Plan gewesen. Es wollte fressen, nicht sitzen. Das war sein Plan.
    Fressen und möglicherweise auf eine Weise, die Pop nicht verstand, entkommen.
    Find es he raus! dachte er ironisch. Nur zu! Mach einfach weiter Bilder.
    Dann wirst du es herausfinden! Du wirst es ECHT herausfinden!
    »Und Sie, Sir«, sagte Emory Chaffee, der lediglich einen Augenblick verdutzt gewesen war;

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