Nachts
zwischen dem, was sie sehen sollten, und dem, was sie tatsächlich sahen, und am Ende konnte er nur einen sehr unbedeutenden Ansatzpunkt finden: Es war, als hätte jemand die Linse der Kamera ausgewechselt, statt einer normalen ein Fischauge genommen, so daß sich die Stirn des Hundes mit ihren Fellzotteln irgendwie zu wölben und gleichzeitig zurückzufallen schien, und die mordlüsternen Augen des Hundes schienen einen schmutzigen, kaum wahrnehmbaren roten Glanz entwickelt zu haben.
Der Leib des Hundes schien länger, aber nicht dünner geworden zu sein; wenn überhaupt, schien er dicker zu sein nicht fetter, sondern muskulöser.
Und seine Zähne waren größer. Länger. Spitzer.
Plötzlich mußte Pop an Joe Cambers Bernhardiner Cujo denken
der Joe und den alten Schwätzer Gery Pervier und Big George Bannerman getötet hatte. Der Hund war tollwütig geworden.
Eine Hupe ertönte ungeduldig.
Pop schrie, und sein Herz fing nicht wieder an zu schlagen, es raste davon wie ein Formel1Rennwagen.
Ein Lastwagen fuhr um seine Limousine herum, die noch halb in der Einfahrt und halb auf der schmalen Nebenstraße stand. Der Fahrer des Lasters streckte die geballte Faust zum Fenster heraus und den Mittelfinger in die Höhe.
»Leck mich am Arsch, du Pisser!« kreischte Pop. Er setzte den restlichen Weg zurück, aber so ruckartig, daß er auf dem Bordstein der anderen Straßenseite aufsetzte. Er riß das Lenkrad wütend herum (wobei er ungewollt auf die Hupe drückte) und fuhr davon. Aber drei Blocks weiter mußte er an den Straßenrand fahren und zehn Minuten still hinter dem Lenkrad sitzen bleiben und darauf warten, bis das Zittern so weit nachließ, daß er wieder fahren konnte.
Soviel zu den Schwestern Ekel.
Im Verlauf der folgenden fünf Tage ging Pop die verbleibenden Namen seiner Liste im Kopf durch. Sein Preis, der bei McCarty mit zwanzigtausend Dollar angefangen hatte und bei den Schwestern Ekel auf zehntausend Dollar gefallen war (nicht, daß er in einem Fall auch nur soweit gekommen wäre, einen Preis zu nennen), sank ununterbrochen, während ihm allmählich die Puste ausging.
Schließlich blieb ihm noch Emory Chaffee und die Chance, vielleicht zweieinhalbtausend zu bekommen.
Chaffee bot ein faszinierendes Paradoxon: In Pops gesamter Erfahrung mit Verrückten Hutmachern Erfahrungen, die langjährig und von verblüffender Vielfalt waren , war Emory Chaffee der einzige, der an die >andere Welt< glaubte und nicht die Bohne Phantasie hatte. Daß er mit seinem Spatzenhirn überhaupt je einen Gedanken an die >andere Welt< verschwendet hatte, war schon erstaunlich genug; daß er an sie glaubte, war verblüffend; daß er Geld für Gegenstände bezahlte, die damit in Zusammenhang standen, konnte Pop kaum glauben. Aber es war so, und Pop hätte ihn viel weiter oben auf seiner Liste plaziert, wäre da nicht die ärgerliche Tatsache gewesen, daß Chaffee bei weitem der schlechtest situierte seiner >reichen Verrückten Hutmacher< war, wie Pop sie bezeichnete. Er stellte sich heldenhaft, aber vergeblich die Aufgabe, die letzten Reste eines einstmals gewaltigen Familienvermögens zu erhalten. Daher kam es, daß der Preis, den Pop für Kevins Kamera haben wollte, noch einmal deutlich nach unten sackte.
Aber, hatte er sich gedacht, als er mit dem Auto in die grasüberwucherte Einfahrt des Hauses fuhr, das in den zwanziger Jahren eine der schönsten Sommerresidenzen von Sebago Lake gewesen, heute aber nur noch einen oder zwei Schritte davon entfernt war, einer von Sebago Lakes schäbigsten Dauerwohnsitzen zu werden (die Villa der Chaffees im Bezirk Bramhall von Portland war schon vor fünfzehn Jahren verkauft worden, um die Steuern zu bezahlen), wenn irgend jem and dieses Ding kauft, dann mit größter Wahrscheinlichkeit Emory.
Was ihm wirklich Kopfzerbrechen bereitete um so mehr, je weiter er sich vergebens seine Liste hinuntergearbeitet hatte , war die Vorführung. Er konnte beschreiben, was die Kamera machte, bis er schwarz wurde, aber nicht einmal ein verschrobener Sonderling wie Emory Chaffee würde einzig aufgrund einer Beschreibung sein Geld herausrücken.
Manchmal dachte Pop, es wäre dumm gewesen, Kevin die vielen Bilder machen zu lassen, damit er, Pop, das Videoband anfertigen lassen konnte. Aber wenn er dorthin ging, wo der Hund begraben lag, war er nicht sicher, ob es etwas geändert haben würde. Es verging Zeit dort drüben in dieser Welt (wie Kevin betrachtete er sie mittlerweile genau so: als richtige
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