Nachtschicht
abserviert.
»Sie haben tatsächlich recht«, sagte er. »Das Verschwinden einer Jungfrau. Meine Leute waren höchst verärgert, auf einen so alten Trick hereingefallen zu sein. Er war schon so alt, daß sie ihn wirklich nicht erwartet hatten.«
Ich sagte nichts. Nachdem Marcia Cressners Leute abgeschüttelt hatte, war sie mit dem Pendlerbus in die Stadt zurück und dann zum Busbahnhof gefahren. Das war der Plan gewesen. Sie hatte zweihundert Dollar, mehr hatte ich nicht auf meinem Sparkonto. Aber mit zweihundert Dollar und einem Greyhound-Bus kann man in diesem Land überall hinfahren.
»Sind Sie immer so wortkarg?« fragte Cressner, und es klang ehrlich interessiert.
»Das hat Marcia mir geraten.«
Ein wenig schärfer sagte er: »Dann werden Sie ja wohl auf Ihren Rechten bestehen, wenn Sie verhaftet werden. Und das nächste Mal sehen Sie meine Frau vielleicht erst wieder, wenn sie als kleine alte Großmutter im Schaukelstuhl sitzt. Haben Sie sich das schon einmal durch den Kopf gehen lassen? Der Besitz von sechs Unzen Heroin könnte Ihnen vierzig Jahre einbringen.«
»Dadurch bekommen Sie Marcia nicht wieder zurück.«
Er lächelte dünn. »Und das ist der springende Punkt, nicht wahr? Darf ich noch einmal zusammenfassen? Sie und meine Frau haben sich ineinander verliebt. Sie haben ein Verhältnis gehabt … wenn Sie ein paar gemeinsame Übernachtungen in einem billigen Motel ein Verhältnis nennen wollen. Meine Frau hat mich verlassen. Aber ich habe Sie. Sie stecken sozusagen in der Klemme. Habe ich die Situation korrekt beschrieben?«
»Ich verstehe, daß sie von Ihnen die Nase voll hat«, sagte ich.
Zu meiner Überraschung warf er den Kopf zurück und fing an zu lachen. »Wissen Sie, ich mag Sie, Mr. Norris. Sie sind zwar ein ordinärer Penner, aber Sie scheinen Herz zu haben.
Marcia sagte das schon, aber ich hatte meine Zweifel, denn ihre Menschenkenntnis ist gering entwickelt. Ganz sicher haben Sie einen gewissen … Elan. Und deshalb habe ich diese kleinen Arrangements getroffen. Marcia hat Ihnen zweifellos erzählt, daß ich gern wette.«
»Ja.« Jetzt wußte ich, was mit der Tür in der Glaswand los war. Es war Winter, und niemand würde auf einem Balkon im dreiundvierzigsten Stockwerk Tee trinken wollen. Die Möbel waren vom Balkon geräumt, und an der Tür fehlte der Windschutz. Warum hatte Cressner das wohl getan?
»Ich mag meine Frau nicht besonders«, sagte Cressner und steckte vorsichtig eine weitere Zigarette in seine Spitze. »Das ist kein Geheimnis. Auch das wird sie Ihnen erzählt haben. Ich bin sicher, daß ein Mann von Ihrer … Erfahrung weiß, daß eine zufriedene Ehefrau nicht einfach mit dem As vom örtlichen Tennisklub ins Heu springt, sobald der seinen Schläger fallen läßt. Marcia ist eine käsegesichtige pedantische und prüde Person, die ständig jammert, eine Heulsuse, ein Klatschweib, eine -«
»Das dürfte reichen«, sagte ich.
Er lächelte kalt. »Ich bitte um Verzeihung. Ich vergesse dauernd, daß wir uns über Ihre Geliebte unterhalten. Es ist acht Uhr sechzehn. Sind Sie nervös?«
Ich zuckte die Achseln.
»Bis zuletzt ein harter Bursche«, sagte er und zündete seine Zigarette an. »Sie mögen sich fragen, warum ich Marcia nicht freigebe, wenn ich sie so wenig leiden kann.«
»Nein, darüber bin ich überhaupt nicht erstaunt.«
Er sah mich wütend an.
»Sie sind ein selbstsüchtiger, egozentrischer Hurensohn, der alles für sich haben will«, sagte ich. »Darum. Niemand nimmt, was Ihnen gehört. Auch dann nicht, wenn Sie es nicht mehr haben wollen.«
Er wurde rot, aber dann lachte er. »Eins zu Null für Sie, Mr. Norris. Sehr gut.«
Wieder zuckte ich die Achseln.
»Ich biete Ihnen eine Wette an«, sagte Cressner. »Wenn Sie gewinnen, können Sie das Geld mitnehmen und meine Frau.
Außerdem haben Sie Ihre Freiheit. Wenn Sie allerdings verlieren, sind Sie tot.«
Ich sah auf die Uhr. Ich konnte nicht anders. Es war acht Uhr neunzehn.
»Okay«, sagte ich. »Was sonst?« Ich brauchte Zeit. Zeit, um zu überlegen, wie ich hier rauskommen konnte, mit oder ohne Geld.
Cressner nahm den Hörer auf und wählte eine Nummer.
»Tony? Plan zwei. Ja.« Er legte auf.
»Was ist Plan zwei?« fragte ich.
»Ich werde Tony in fünfzehn Minuten anrufen, und er wird den … Stoff aus Ihrem Kofferraum entfernen. Wenn ich nicht anrufe, wird er sich mit der Polizei in Verbindung setzen.«
»Sie sind ziemlich mißtrauisch, was?«
»Seien Sie vernünftig, Mr. Norris. Auf
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